Heimat Mars: Roman (German Edition)
sehr aufrichtig.«
»Das war er«, sagte ich. Das Gespräch kam mir wie die Unterhaltung in einem Traum vor. Ich merkte dabei, mit wie vielen Isolierschichten ich meine Gefühle schon vorher umgeben hatte. Ich hatte wohl genau diese Nachricht erwartet, aber mich geweigert, an eine solche Möglichkeit auch nur zu denken. Und mit der Anzahl der Tage war auch die Gewissheit einer solchen Nachricht gewachsen. »Erzählen Sie mir von Ihrer Schwester.«
»Ich glaube, das schaffe ich jetzt noch nicht, Cassie.«
»Ich verstehe.«
»Das Labor in Sulci hat alles gut überstanden«, fuhr sie fort. »Dandy glaubt, dass wir seinen Tod zu verantworten haben.«
»Unsinn.«
»Er nimmt es schwer.«
»Ich muss mit Ti Sandra reden.«
»Ich finde, Sie sollten noch ein paar Minuten warten. Wirklich.«
»Wenn ich jetzt nicht arbeite, verliere ich den Verstand. Es gibt so vieles, das erledigt werden muss.«
Lieh schob die Tasche an ihrem grauen Anzug weg und legte ihre Hand über meine. »Bitte ruhen Sie sich eine Weile aus.«
»Nein.«
Sie stand vom Bett auf, streckte ihren langen Arm mit den langen, schönen Fingern aus und öffnete die Buchse für Lichtleiteranschlüsse. Ich reichte ihr mein Kom, sie schloss es an. Sie gab ein paar Befehle, eine Reihe von Codes und Sicherheitschecks ein und kam sofort zu Point One in Many Hills durch. Dort stellte man die weitere Verbindung her.
Zehn Minuten später sprach ich mit Ti Sandra. Von Ilya sagte ich ihr nichts.
Wir sprachen über die allgemeine Lage und über meine Unterhaltung mit Charles. Ti Sandra war immer noch in medizinisches Nano gepackt und hatte schwere Lider. Ihre Lippen zuckten, als sie heiser flüsterte: »Wir sind einer Meinung, Stephen, du und ich. Aber das reicht nicht. Wir müssen auch an das denken, was danach kommt. Wir können nicht einfach ins Blaue abhaun. Was ließe sich vorstellen? Wir brauchen weitere Experten. Wir müssen uns ernsthaft damit auseinandersetzen.«
»Die Olympier könnten uns auf die Fährte setzen«, schlug ich vor. »Wir sollten in der nächsten Woche oder so alle zusammenholen. Das Risiko müssen wir eingehen.«
»Die Leute von Point One können für alles Erforderliche sorgen. Du bist immer noch amtierende Präsidentin, Casseia. Wie geht es dir, Liebes?«
»Nicht besonders gut.«
»Wir sind alle in fürchterlicher Verfassung. Wir brauchen einen Tapetenwechsel, stimmt’s?«
»Stimmt.«
»Du holst die Experten vom ganzen Mars zusammen. Alle, die uns unterstützen können. Melde dich bald wieder. Ich werde versuchen, wachzubleiben, Casseia.«
Ich berührte ihr Gesicht auf dem Schirm und verabschiedete mich. Lieh stand abwartend in der Ecke des kleinen Zimmers.
»Warum tun wir das?«, fragte sie.
Ich lehnte mich auf dem Bett zurück. »Sagen Sie es mir.«
»Weil andernfalls sehr viele Menschen ihr Leben verlieren werden. Aber wie viele Menschen werden ihr Leben verlieren, wenn wir von hier weggehen?«
»Das müssen wir herausfinden«, antwortete ich.
Trotz meiner Abgeschnittenheit von der Welt, trotz des Nebels der jetzt einsetzenden Reaktion nahm meine Erweiterung ihre Arbeit auf und fing mit den Berechnungen an. Was würde nötig sein, um eine Masse von der Größe des Mars plötzlich aus der Nachbarschaft der Sonne zu entfernen und an einen anderen Ort zu bringen?
Es gibt keine Entfernung. Wir sind Diebe, die etwas (und sich selbst) aus der galaktischen Schatzkammer stehlen.
»Wir brauchen Bodenkundler«, sagte Lieh.
»Richtig. Und Bauingenieure für die Siedlungen. Leute, denen wir vertrauen können. Aber wir werden unsere Maßstäbe etwas niedriger ansetzen müssen. Die Menschen werden es bald genug erfahren.«
»Wir werden das Treffen persönlich und an Ort und Stelle, sozusagen in Quarantäne durchführen müssen«, überlegte Lieh. »Wir müssen alle Beteiligten isolieren, bis wir unterwegs sind.«
»Oh?«, sagte ich, während ich immer noch meiner Erweiterung lauschte.
»Das größte Risiko besteht darin, dass etwas zur Erde durchsickert. Bei irgendeinem Hinweis darauf, dass wir etwas so Drastisches vorhaben, könnten sie zuschlagen.«
»Ja«, bestätigte ich. Vorläufig ließ ich Lieh für mich nachdenken und eifrig das Konzept ausarbeiten.
»Das erfordert sorgfältige Planung«, fuhr sie fort.
»Zwanzig Experten reichen«, erwiderte ich. »Wir brauchen einen sicheren Besprechungsort.«
»Dieser Ort ist auch nicht schlechter als jeder andere«, sagte Lieh.
»Einverstanden.« Plötzlich war mir der Gedanke
Weitere Kostenlose Bücher