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Heimat Mars: Roman (German Edition)

Heimat Mars: Roman (German Edition)

Titel: Heimat Mars: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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unseren Blickwinkel. Er deutete auf einen winzigen, strahlenden, nicht vernebelten Fleck im Fadenkreuz vor dem gesprenkelten schwarzen Hintergrund, kaum mehr als ein Punkt. »Wir sind sechzig Milliarden Kilometer davon entfernt«, bemerkte er und fügte dann bewundernd hinzu: »Nicht schlecht für eine erste Annäherung.« Aber er war schnell wieder ernüchtert. »Allerdings ist das kein Katzensprung. Wir befinden uns vierundfünfzig Milliarden Kilometer außerhalb der Umlaufbahn des entferntesten Planeten.« Er prüfte es auf seinen Instrumenten nach, nickte mit tiefem Stirnrunzeln und fuhr fort: »Sehr geehrte Herrschaften, wenn es nach dem, was wir gerade getan haben, überhaupt noch eine Rolle spielt … In unserem Zielsystem befinden sich sieben Planeten, davon sind drei ungeheuer große Gasriesen, noch sehr jung und doppelt bis fünfmal so groß wie Jupiter, und vier kleine Gesteinswelten in der Nähe des Sterns. Dazwischen jede Menge leerer Raum. Dieser Raum ist wunderbar für eine Umlaufbahn geeignet, man muss niemandem ausweichen, nur einem diffusen Asteroidengürtel. Aber all das bedeutet gar nichts, wenn wir nicht eine leichte Korrektur durchführen.« Hergesheimer sah mich an, schluckte heftig und nickte, als wolle er damit unterstreichen, dass es durchaus Anlass zu leichter Sorge gab.
    »Charles?«, fragte Leander.
    »Der QL führt jetzt die Korrekturen durch und übersetzt sie«, antwortete Charles. »In fünf Minuten ziehen wir weiter.«
    Tief im Innern von Phobos verschob sich etwas mit einem durchdringenden Ächzen, das lebendig und unheimlich klang. Die isolierten Wände des Stützpunkts vibrierten. Mit Ausnahme von Charles blickten wir alle einander beunruhigt an.
    »Das haben wir vorher schon gehört, nur nicht so laut«, sagte Leander. »Wir haben den Mond in jüngster Zeit ganz schön gebeutelt. Unterschiedlichen Gezeitenkräften ausgesetzt.«
    »Und es kommt noch mehr auf ihn zu«, ergänzte Cameron.
    »Eigentlich dürfte es keine Probleme geben«, versicherte Leander. »Die Kräfte sind vernachlässigbar. Aber der Krach ist beeindruckend …«
    Cameron drängte sich neben mich. »Es gibt hier einen Aufenthaltsraum mit direkter Sicht«, sagte sie. »Die Bergleute müssen ihn nach der letzten Kartierung angefügt haben. Ich habe einen Roboter hingeschickt. Er soll dort saubermachen und nachsehen, ob sich die Außenverkleidung öffnen lässt. Doktor Hergesheimer braucht keine weitere Hilfe, bis wir ankommen. Alles läuft jetzt automatisch. Ich möchte den Sprung gern miterleben – am liebsten in Gesellschaft. Werden Sie hier im Moment gebraucht?«
    Charles schien es nichts auszumachen, aber ich wollte ihn nicht verlassen. »Gehen Sie nur«, sagte ich. »Ich bleibe hier.« Cameron warf mir einen besorgten, prüfenden Blick zu, zog sich zurück, drehte sich mit der vollendeten Grazie eines Menschen aus dem Gürtel um und verschwand in einem Tunnel, der zur Oberfläche führte.
    »Sie ist noch jung«, bemerkte Hergesheimer. »Ich schaue nicht einmal mehr durch optische Teleskope. Es ist nicht die Mühe wert. Die Augen sehen nichts.«
    »Ich würde es ganz gern direkt sehen«, erklärte Leander. »Wir werden alle einen Blick riskieren, wenn der Sprung abgeschlossen ist.«
    Ich kämpfte immer noch mit dem ungeheuren Raum um uns herum, den Hunderttausenden von Sternen, den Gas- und Staubwolken. Die Entfernung zählt nicht. Entfernung existiert gar nicht, außer in Form bestimmter Deskriptor-Werte.
    »Alles in Ordnung?«, fragte mich Leander. Ich schüttelte den Kopf. Meine Wangen waren feucht. Sphärisch glitzernde Tränen kullerten wegen der geringen Schwerkraft auf Phobos ganz langsam in Richtung meiner Füße.
    »Traurig?«, fragte Charles und wandte sich mir zu. Sein Gesicht wirkte außerordentlich friedlich, unnatürlich entspannt und unbekümmert. Mir wurde klar, dass Leanders Frage Charles aus der Konzentration gerissen hatte.
    »Nein«, antwortete ich. »Nur Einsicht in die Ungeheuerlichkeit der Maßstäbe. Verloren im Raum. Ich weiß gar nicht, was mich jetzt noch erschüttern soll.«
    Charles wandte sich mit müdem Blick ab. »Wenn wir einen Fehler machen, wird es uns alle erschüttern«, stellte er gelassen fest. »Bei einem Fehler mit dem Bestimmungs-Tweak«, fügte er hinzu.
    Da war es wieder, dieses so oft verleugnete Wort. Ich sah Leander ins Gesicht und tippte ihm mit dem Finger unsanft auf die Brust. »Ich hab das schon früher gehört«, flüsterte ich. »Ihr habt gesagt, das sei zu

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