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Heimat Mars: Roman (German Edition)

Heimat Mars: Roman (German Edition)

Titel: Heimat Mars: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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das alles ergab natürlich überhaupt keinen Sinn.
    Ich richtete meinen Blick auf die Displays und sah gespenstische Bilder, die gar nicht zu Elektronik und Optik passen wollten. Bilder, deren ursprüngliche Bedeutung man nicht mehr entschlüsseln konnte, weil man sie nicht mehr richtig zusammenfügen konnte. Die Mathematik versagte. Die Physik unserer Hilfsmittel war zu nichts mehr nütze. Wir konnten diese Informationen weder begreifen noch verarbeiten. Mit unserer begrenzten Vorstellungskraft konnten wir die Realität nicht neu oder wieder herstellen.
    Das schwache Winseln steigerte die Tonhöhe. Obwohl meine Egos der Vergangenheit immer noch aufeinander und auf mich einklatschten, spürte ich jetzt, aus welcher Richtung das Geräusch kam und drehte mich um. Die sternförmige Kabine bestand nur noch aus Zacken, falschen Perspektiven und sinnlosen Winkeln. Ich erkannte eine schemenhafte Gestalt, sah, dass sich Hergesheimers Gesicht in ein kubistisches Gemälde aus Insektenaugen verwandelt hatte, in denen zu viele Facetten saßen, und das Gesicht wurde plötzlich zu dem von Galena Cameron. Ich brachte es immerhin zu der Hypothese, dass Hergesheimer Galena festhielt und sie es war, die so winselte, während sie die Augen geschlossen hielt und ihre Hände um ihr Gesicht hüpften, als bettelten Schoßhündchen um Aufmerksamkeit.
    Hergesheimers Lippen bildeten die Worte: Ich hab nicht hingesehen.
    Und dann: Nach draußen.
    Und dann: Aber sie.
    Leander hatte sich bewegt, aber ich konnte ihn in den sich ständig verschiebenden Winkeln nicht orten. Immer noch hielt ich Charles’ Hand. Die Finger, die ich umschloss, tauchten jetzt außen auf. Charles hielt eine Inversion meiner Hand. Es spielte keine Rolle.
    Die ganze Szene machte einen Sprung. Der letzte Schlag war zermalmend. Meine Knochen und Muskeln kamen mir wie pulverisiert und neu zusammengesetzt vor.
    Blutstropfen schwebten in der Luft. Ich atmete in tiefen Zügen ein und erstickte fast an ihnen. Irgend etwas hatte meine Haut mit langen, dünnen, flachen Rasiermesserschnitten aufgeschlitzt. Auch meine Kleidung war zerfetzt. Die Innenwände der Kabine wirkten eingebeult, als habe ein Dreschflegel mit scharfer Kante auf sie eingedroschen. Leander stöhnte und schlug die Hände vors Gesicht. Sie kamen blutig wieder herunter. Hergesheimer drückte Cameron an die Brust. Sie lag reglos in seinen Armen. Alles und alle waren zerfetzt und blutig.
    Charles ließ meine Hand los. Wo wir Händchen gehalten hatten, waren keine Schnitte. Die Rückseite meiner Hand sah aus, als habe dort eine Katze ihre Krallen gewetzt, unversehrt war nur die Stelle, die Charles mit seinen Fingern bedeckt hatte.
    Der Raum kam mir sterbenskalt vor. Die Displays und die Elektronik funktionierten noch nicht wieder. Kurz darauf schalteten sie sich ein. Draußen erkannten wir Sterne und das strahlende Licht einer sehr viel näheren Sonne.
    Einen Augenblick lang sagte niemand ein Wort.
    Leander sprach als erster. »Wir brauchen medizinische Versorgung«, sagte er, während er seine Hände ausstreckte und seine blutige Kleidung inspizierte. Im Shuttle hatten wir eine nagelneue Notapotheke, ich ging sie holen. Offenbar war es dringend nötig, dass ich die Dinge in die Hand nahm und Krankenschwester spielte.
    Denn andernfalls, dachte ich, würde es mir am Ende noch wie Galena gehen, die starr wie eine Puppe war, die Augen fest geschlossen hielt und die Lippen zu einer ewigen Frage verzerrt hatte.
    Leander war in ein Gespräch mit Charles vertieft, als ich zurückkam. Mit einem sterilen Schwämmchen klatschte ich meinen Gefährten medizinisches Nano direkt aus der Flasche auf. Alle zogen sich aus, um sich von mir verarzten zu lassen. Hergesheimer entkleidete Galena, die es widerstandslos geschehen ließ. Wir rubbelten einander ab. Die Berührung hatte an sich schon etwas Tröstliches, Heilsames, wir feierten eine Orgie gesundheitsfördernder Zuwendung.
    Mit dem Schwamm rieb ich über Charles’ Gesicht und Arme. Er schloss die Augen und genoss die Berührung.
    Hergesheimer verstaute Galena in einer Hängematte. Langsam sank sie nach unten und blieb dort liegen. »Wo sind wir?«, fragte er.
    »Da, wo wir hinwollten«, antwortete Charles.
    »Was, zum Teufel, ist schiefgegangen?«, wollte Hergesheimer wissen.
    »Der QL hat uns auf einen fehlerhaften Kurs gebracht«, erklärte Charles. »Er konnte sich nicht von einigen zwingenden Wahrheiten lösen. Es tut mir leid. Meine Erklärung sagt Ihnen bestimmt gar

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