Heimat Mars: Roman (German Edition)
fragte Ti Sandra grimmig.
»Das kann ich gar nicht«, sagte er.
»Würden Sie es tun?«, wiederholte sie nachdrücklich, mit erhobener Stimme.
»Ja, das würde ich«, antwortete er, ohne mit der Wimper zu zucken. »Allerdings würde Casseia mir vielleicht das Recht dazu absprechen.«
»Warum?«
»Wegen meiner engen Beziehung zum QL-Denker.«
»Es war der Denker, der QL-Denker, der den Fehler gemacht hat, nicht wahr?«, sagte Ti Sandra.
»Es war kein Fehler«, erwiderte Charles.
»Die arme Galena Cameron würde es vielleicht nicht so sehen«, sagte Ti Sandra. Sie ließ sich einen Stuhl bringen und nahm bedächtig darauf Platz, ohne den Blick von Charles’ Gesicht abzuwenden. Ich hatte sie schon früher diese konzentrierte Haltung einnehmen sehen, aber nie mit solcher Intensität.
»Der QL sah eine Möglichkeit, seine Aufgabe grundlegender zu erfüllen«, sagte Charles. »Er konnte nicht wissen, wie sich das auf menschliche Beobachter auswirkt. Er kann uns nicht einmal richtig als Modell konstruieren.«
»Was sollte ihn davon abhalten, etwas noch Blöderes anzustellen?«, fragte Ti Sandra. Charles zuckte zusammen, reagierte aber nicht auf diesen Anwurf.
»Er hat sofort gemerkt, dass er nie mehr nach Wahrheiten – welcher Art auch immer – suchen könnte, wenn er zu existieren aufhörte«, sagte er.
»Ich weiß nicht, was das heißen soll«, antwortete Ti Sandra.
»Er hat gelernt, was Angst ist«, erklärte Charles.
Ti Sandra lehnte sich mit gerunzelter Stirn zurück und rieb die Hände an den Knien. Dann stand sie auf und legte ihren Arm um meine Schulter. »Ich verstehe so wenig«, murmelte sie. »König Arthur hat Merlin wohl auch nie verstanden, oder?«
»Ich bezweifle es«, sagte ich.
»Wir haben schon so viel erreicht«, sagte Charles bittend. »Alle haben sich daran die Finger wund gearbeitet. Ich finde, wir sollten uns die Möglichkeit offenhalten – im Falle, dass die Erde etwas Drastisches unternimmt.«
»Alles ist an seinem Platz«, bemerkte ich. »Es gibt keinen Grund, es zu demontieren. Aber wir werden dem nicht Priorität geben.«
»Was ist mit den aerologischen Berichten?«, fragte Leander. »Was ist mit den anderen Kugeln, die wir ins Rollen gebracht haben?«
»Wir werden sie nicht aufhalten. Sie alle nützen unserem Allgemeinwissen«, antwortete ich.
»Und wir?«, fragte Charles und deutete auf seine Kollegen.
»Verfolgt weiter, was am Eisloch passiert«, erwiderte ich. »Ich finde, Lieh sollte mit euch zusammenarbeiten.«
»Dann sind wir also nur noch Spione«, stellte Charles fest.
Wir starrten auf das Bild eines Abermillionen von Kilometern entfernten Ortes, auf Männer, Frauen und Roboter, die sich zielbewusst der Lösung eines Rätsels widmeten. Auf dem Mond näherte sich eine Frau in Schutzkleidung – der Anzug war schwarz, dick gepolstert und faltig wie Elefantenhaut. Er sollte sie vielleicht gegen Strahlung und Kälte schützen – unserem Beobachtungspunkt. Plötzlich war ihr Bild verwackelt und trübe, sie befand sich zu nahe bei dem ominösen Ding, das die Olympier als Deskriptor-›Optik‹ konstruiert hatten. »Wieviel wissen die schon?«, fragte ich.
»Ziemlich viel«, antwortete Charles. »Sonst wären sie gar nicht dort.«
»Was können sie erreichen, wenn sie das Eisloch entsprechend nutzen?«
»Alles, was wir bereits können«, antwortete Charles auf meine Frage. »Es sei denn, sie wissen inzwischen mehr als wir. Was bedeuten würde, dass sie noch mehr damit anstellen könnten.«
Ich ging allein über flaches, sandiges, unberührtes Land. Ich befand mich fünfhundert Meter von der Siedlung entfernt an der Marsoberfläche. Eigentlich hätte ich schlafen sollen, es war früher Morgen, aber mein Kopf brummte vor allzu vielen Problemen. Und ich hatte meinem Schlaf nicht künstlich nachhelfen wollen, wie so oft, zu oft, in jüngster Zeit.
Ich hatte den Schutzanzug eines Wächters angelegt und mich durch einen erst kürzlich fertiggestellten Wartungskorridor, der nur von Baurobotern benutzt wurde, nach draußen geschlichen. Sobald ich an der Oberfläche war, spazierte ich über den steinigen, harten Boden zu der einzigen Stelle, die frei von unangenehm scharfen, glasartigen Lavabrocken war. Meine Stiefel knirschten auf der orangebraunen Bodendecke. Hohe Zirruswolken, in deren Eiskristallen sich das Licht, in Regenbogenfarben glitzernd, brach, zogen über den Himmel. Es dämmerte. Es war jetzt kalt auf der Höhe von Kaibab, etwa achtzig Grad unter Null, aber
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