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Heimat Mars: Roman (German Edition)

Heimat Mars: Roman (German Edition)

Titel: Heimat Mars: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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brauchen sie noch, wenn deine Arbeit getan ist.«
    »Du wirst jetzt etwas ganz anderes sehen«, kündigte Charles an. Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Diese Intimität ging über die Vertrautheit zwischen Ehemann und Ehefrau hinaus: Es war die Intimität zwischen zwei jungen Göttern. »Ich glaube, es ist Teil einer länger währenden Bekanntschaft des QL mit dem größeren System. Er wird auf der höchsten Ebene sich überlagernder Deskriptoren Messungen vornehmen und vielleicht sogar über die Ebene der tatsächlich benutzten Deskriptoren hinausgehen …«
    »Nicht benutzte Deskriptoren?«
    »Oder nicht mehr benutzte«, erwiderte Charles. »Deskriptoren für Dinge, die früher einmal existiert haben oder irgendwann existieren könnten. Oder die gar keinen bestimmten Zweck erfüllen. Deskriptoren, die Überbleibsel darstellen oder überzählig sind.«
    »Wie viele Minuten bis zum nächsten Wechsel des Bezugsrahmens?«, wollte Leander wissen.
    »Noch vier Minuten«, erwiderte Charles.
    »Es könnte sein, dass die Erde unsere neue Position bestimmt und wieder loslegt«, bemerkte Leander.
    »Zur Hölle mit ihnen«, sagte Charles. Ich wusste, dass er dabei lächelte. Er war der Mann, der auf einem kraftvollen Pferd zuversichtlich davonritt. Allerdings würde dieses Pferd sich in den nächsten Minuten zu einer unerträglichen Größe aufschwingen.
    »Für was würdest du sie einsetzen, Charles?«, fragte ich.
    »Die Deskriptoren ohne klar definierte Bestimmung?«
    »Ja.«
    »Ich glaube, sie warten nur darauf, dass wir erwachsen werden. Wir könnten neue Formen von Materie schaffen. Wir könnten alle menschlichen Informationen in das übergeordnete Gedächtnis von Masse und Energie übersetzen und dort abspeichern. Wir könnten dem Raum vormachen, er sei Materie oder Energie. Oder etwas, das wir uns jetzt noch nicht einmal vorstellen können.«
    »Du hast darüber schon einmal, vor langer Zeit, geredet«, sagte ich.
    »Ein Dialog mit den Wurzeln der Schöpfung.«
    »Wurzeln? Mohrrüben?«, unterbrach ihn Leander.
    »Stephen«, sagte Charles. »Lass uns in Ruhe. Es geht uns gut. Casseia macht ihre Sache hervorragend.«
    »Was sie sagt, klingt eher theoretisch als politisch«, bemerkte Leander mürrisch.
    »Noch eine Minute«, kündigte Charles an.
    Ich hielt noch einen Trumpf in der Hand, um Charles in dieser speziellen Schöpfung fest zu verankern. Jetzt schien die beste Zeit, den Trumpf auszuspielen.
    »Ich hab oft an dich gedacht«, sagte ich.
    »Was?« Der plötzliche Themenwechsel schien Charles zu verwirren.
    »Seit unserer gemeinsamen Zeit habe ich oft an dich gedacht.«
    »Ich hab genügend Probleme verursacht, meinst du nicht?«
    »Ich habe über das nachgedacht, was du gesagt hast, als wir unsere Zukunftspläne ausgetauscht haben. Ich glaube, ich weiß, warum ich die Beziehung mit dir nicht wollte, Charles.«
    Er sagte nichts.
    »Ich habe dich wirklich geliebt, aber du hast dich in Regionen bewegt, in denen ich mich nie hätte bewegen können.«
    »Stimmt«, antwortete er leise.
    »Es hört sich schrecklich an, wenn man es ausspricht. Aber ich wollte mit jemandem zusammensein, der mir nicht ganz so viele Anregungen gibt.«
    »Stimmt.«
    »Casseia«, flüsterte Leander mir ins Ohr, »was, zum Teufel, tun Sie da?«
    Ich stieß ihn weg. »Es gab einen Moment, Jahre später, in dem ich mich dir so nahe fühlte, als hätten wir tatsächlich geheiratet und unser ganzes Leben gemeinsam verbracht. Du warst meine Rettung, Charles.«
    »Wann war das?«
    »Ich stand mit dem Rücken an der Wand. Als ich mit Sean Dickinson sprach.«
    »Du mochtest Sean doch.«
    »Nach dem Einfrieren vertrat er die Erde. Er wollte uns – mich – zwingen, alles aufzugeben. Noch nie in meinem Leben hatte ich mich derart in der Zwickmühle gefühlt. Dann hast du die Nachricht geschickt.«
    »Ti Sandra …«, warf Charles ein.
    Ich unterbrach ihn. »Ich ging zur Oberfläche, blickte nach Westen und sah Phobos durch die Wolken.« Noch immer erinnerte ich mich so gut an das Gefühl jenes Augenblicks, dass meine Stimme schwankte. »Ich wusste, was du vorhattest. Und du hast es getan. Du hast mir alle Bürden abgenommen. Mein Gott, Charles, was du damals für mich getan hast! Ich war furchtbar stolz darauf.«
    »Das freut mich«, erwiderte Charles.
    Die Ansicht des Mars in meinem Blickfeld wurde dunkel. Durch die Dunkelheit sah ich, wie sich die neue Möglichkeit auftat. Wie ein riesiges Tier schlich die Leere durch das Vakuum auf uns

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