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Heimat Mars: Roman (German Edition)

Heimat Mars: Roman (German Edition)

Titel: Heimat Mars: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Bearbeitungsvorgangs. Du wirst draußen bleiben und es beobachten.«
    »Alles klar«, sagte ich.
    Ich versuchte, meine steinharten Muskeln zu entspannen. Am besten starb man in entspanntem Zustand, dachte ich. Das Universum erschien mir so wenig berechenbar, dass dieser feine Unterschied mir wichtig vorkam.
    Als ich in die Sichtweise des QL-Denkers eindrang, änderte sich das Bild des Mars grundlegend. Was ich sah, war kein Planet, sondern ein buntes Feld überlappender Möglichkeiten, der Planet war das übergeordnete Bezugssystem. Alle paar Sekunden änderte sich die Einschätzung des QL. Die Farben wechselten, die Zuweisungen der Pierce-Region blinkten mit atemberaubender Geschwindigkeit. Der ganze Mars wurde mit einer Logik vermessen und eingeschätzt, der kein Mensch folgen konnte. Es war eine Logik, die außerhalb oder jenseits der Gesetze des Universums lag.
    Jetzt erkannte ich deutlicher, wie wertvoll der Beitrag des QL-Denkers war. Dass er tatsächlich, trotz aller Verzerrungen, ein Bewusstsein seiner eigenen Existenz hatte, machte mir Gänsehaut. Welche Art von Selbst-Bewusstsein konnte es sein, wenn das Bewusstsein weder Gestalt hatte noch einen spezifischen Zweck verfolgte?
    Wer konnte einen solchen Verstand entworfen und geschaffen haben? Es waren Menschen gewesen, mehr oder weniger berühmte Menschen. Seit anderthalb Jahrhunderten hatten QL-Denker eine gewisse Rolle in menschlichen Angelegenheiten gespielt. Aber kein Mensch, nicht einmal diejenigen, die die OL-Denker entwickelt hatten, konnten die QL-Mentalität wirklich erfassen. Nicht, dass der QL ihnen überlegen war – in mancher Hinsicht funktionierte er weit einfacher als das menschliche Gehirn oder das Gehirn eines normalen Denkers –, aber was er tat, tat er hervorragend … und unberechenbar …
    Wenn ich die Zuschauerin war, die dieses seltsame, schöne Pferd bei seinem Dressurakt beobachtete, dann war Charles sein Reiter.
    »Wir haben die erste orthonormale Basis gemessen und berechnet«, sagte Charles. »Jetzt messen wir das, was die uns erhaltenen Deskriptoren auf das größere System übertragen.«
    Mit Hilfe meiner Erweiterung verstand ich einen Teil dessen, was ich sah: Durch die Mengenberechnung der Übersetzung wurden ganze Zahlen gebrochen und die Natur dadurch betrogen, dass die ›Energie‹, die zur Versetzung des Mars notwendig war, aus der Gesamtenergie des größeren Systems, der Galaxis, abgezogen wurde. In Wirklichkeit würde die Energie niemals in irgendeinem realen Sinne verausgabt werden. Man würde einfach das anspruchsvolle Buchhaltungssystem des Universums ausgleichen – sozusagen unter der Hand, während es nicht hinsah.
    »Noch zwanzig Sekunden bis zum ersten Wechsel des Bezugsrahmens«, informierte mich Charles. Unsere Verbindung kam mir immer intimer vor. Er sprach nur, weil er mir einen Gefallen tun wollte. »Der QL weist jetzt alle Deskriptoren ihrer ersten Bestimmung zu.« Wir würden alles in dem ›Raum‹, den der Mars später einnehmen sollte, bewegen und gleichzeitig den Planeten selbst versetzen, so dass praktisch die ›Plätze‹ getauscht würden. Dieser Teil des Vorgangs war noch am leichtesten zu verstehen, wenn auch nicht am leichtesten durchzuführen.
    »Der Tweaker beginnt mit der Ausstrahlung«, sagte Stephen draußen. »Fluktuation in der Pierce-Region.«
    Ich sah beide Bezugsrahmen, unseren gegenwärtigen und den zukünftigen. Sie überlagerten einander. Dann konnte ich den Mars einen Augenblick lang überhaupt nicht mehr sehen. Was ich statt dessen sah, war in seiner Einfachheit erschreckend.
    Der Mars war auf ein nicht fassbares Potential reduziert. Er konnte alles sein, und wir waren mittendrin. Wir wurden in das Spiel jenseits aller Regeln mit hineingezogen. Dies war die Leere, in der Systeme, die von augenblicklichen, direkten Korrelationen abhingen (der menschliche Verstand, Computer, Denker, elektronische Systeme), sich neu formieren mussten. Und dabei mussten sie davon ausgehen, dass es einmal eine Realität gegeben hatte und dass alle Regeln von jeher so wie jetzt gewesen waren.
    In diesem Potential erkannte ich – obwohl ich es glücklicherweise nicht spürte – die Anziehungskraft der Wahlmöglichkeiten, die uns offenzustehen schienen. Wir konnten alternative Regelsysteme wählen. Der QL arbeitete sich hastig durch die Alternativen hindurch. Ich hätte sie mir gern länger angesehen und die Möglichkeiten durchgespielt: Was würde passieren, wenn man dieses oder jenes änderte? –

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