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Heimat Mars: Roman (German Edition)

Heimat Mars: Roman (German Edition)

Titel: Heimat Mars: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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gegeben. In den Ebenen des Tieflandes lag unter dem allgegenwärtigen Treibsand und der zähen Schmierschicht eine dicke Schicht kalkhaltigen Felsgesteins. Es war Kalkstein, das tote Konglomerat unzähliger winziger Lebewesen, die einst auf dem Grunde eines uralten Meeres gelebt hatten. Früher hatte sich dieses Meer über das ganze Gebiet erstreckt und praktisch sechzig Prozent der nördlichen Marshemisphäre bedeckt.
    Vor fünfhundert Millionen Marsjahren waren die Meere dem Alterungs- und Abkühlungsprozess des Mars anheimgefallen. Die inneren Marsströme versiegten und stabilisierten sich genau zu jener Zeit, als der Mars seine Kontinente hervorbrachte – und wegdrängte. Auf diese Weise unterband er die Wanderung seiner vier jungen Krustenplatten und setzte dem Leben der Gas speienden Vulkane ein Ende. Die Atmosphäre begann, sich in den Weltraum zu verflüchtigen – ein lange währender Prozess. Innerhalb von sechshundert Millionen Marsjahren hatte sich das Leben selbst vom Mars mehr und mehr zurückgezogen, war erstarrt, hinterließ fossile Meeresböden, Karst und zuletzt die Mutter Ecos {4} und die prächtigen Aquädukte.
    Ringsum ragte gelblichweißer Kalkstein aus dem ockerroten Treibsand. Rostfarbene Felsbrocken, die mächtige Krater herausgeschleudert hatten, krönten das Gemisch. Es sah aus, als habe man Vanilleeis erst mit roter Rhabarbersoße übergossen und dann mit Schokoladensplittern bestreut. Vor dem rötlichen Himmel wirkte das so stark, dass die Schönheit mir ins Herz schnitt. Sie erinnerte auf beängstigende Weise daran, dass selbst Planeten sterblich sind.
    »Gefällt es dir?«, erkundigte sich Charles. Seitdem wir in dem geliehenen Schlepper der BG Klein aus Durrey abgefahren waren, hatten wir nicht viel geredet.
    »Es ist großartig«, antwortete ich.
    »Warte nur, bis wir die offenen Karstgebiete erreichen – die sehen aus wie die Löcher von Präriehunden. Es gibt dort sichere Anzeichen für Wasseradern. Aber man muss schon Experte sein, um zu erkennen, wie tief sie liegen und ob sie weißlich sind.«
    Weißliche Wasseradern enthielten hohe Konzentrationen von Arsen, das verteuerte ihre Ausbeutung ein bisschen.
    »Die weißlichen Meere hatten völlig andere Lebensformen. Wahrscheinlich stammen die Mütter von dort.«
    Über die Mutterkapseln wusste ich nicht viel. Es waren Ansammlungen einzelner Organismen der ›Omega Ecos‹, der letzten Ecos, aus der post-tharsischen Zeit. Die ›Omega Ecos‹ bewahrte das Leben einer ganzen Welt, speicherte es in ihrer Schale beharrlich auf. Einst hatte sie die Aquäduktbrücken hervorgebracht. Ihre Fossilien waren erst in den letzten Jahren entdeckt worden, ich hatte das aber nicht weiter verfolgt.
    »Hast du schon mal eine Mutterkapsel gesehen?«, fragte Charles.
    »Nur auf Abbildungen.«
    »Sie sind prächtig. Größer als ein Schlepper. Die harten Schalen sind rund dreißig Zentimeter dick. Sie sind im Sand vergraben und warten nur darauf, dass einer der alten Wasserströme sie wieder erfasst … Sie sind die letzten ihrer Art.« Seine Augen leuchteten, sein Mund verzog sich zu einem verlegenen kleinen Lächeln. Seine Begeisterung befremdete mich ein bisschen. »Manche haben vielleicht schon Jahrmillionen überdauert. Und vergeblich auf Feuchtigkeit gewartet.« Er schüttelte den Kopf und ließ die Mundwinkel hängen, als rede er von einer Familientragödie. »Manche Forscher glauben, dass wir eines Tages auf eine stoßen, die noch lebt. Für Fossilienforscher wäre das so was wie der Heilige Gral.«
    »Ist das denn überhaupt möglich?«
    »Ich glaube nicht.«
    »Gibt es dort, wo wir hinwollen, solche Mutterkapseln unter den Fossilien?«
    Er schüttelte den Kopf. »Sie sind sehr selten. Und in verkarsteten Gebieten kommen sie nicht vor. Die meisten hat man in Gräben gefunden.«
    »Oh.«
    »Aber wir halten Ausschau.« Er lächelte so nett wie ein kleiner Junge, offen und zutraulich.
    Die Weinkellerei der BG Klein – ein ehrenwertes Experiment, das fehlgeschlagen war – lag windgeschützt in der Senke eines ausgetrockneten, frostzerklüfteten Plateaus, zwanzig Kilometer westlich von Durrey. Roboter hielten die ehemalige Kellerei in Schuss, und das nicht einmal schlecht, nach dem Haufen Flugsand vor dem freigeschaufelten Eingang zu urteilen. Auf dem Tor prangte ein hellgrünes Schild ›Très Haut Médoc‹. Charles steuerte den Schlepper dorthin. Die Garage öffnete sich langsam und knirschend, da sich Sand im Getriebe festgesetzt hatte. Im

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