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Heimat Mars: Roman (German Edition)

Heimat Mars: Roman (German Edition)

Titel: Heimat Mars: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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glaube immer noch daran – aber gefolgt bin ich ihnen «, sagte ich. »Ich möchte wissen, warum.«
    »Sie haben so gewirkt, als wüssten sie, wo’s langgeht.«
    Wir redeten eine Stunde lang, bewegten uns im Kreis, verstanden auch danach nicht besser, was mit uns geschehen war. Charles schien das alles als jugendliche Eskapade abzutun, aber ich hatte mir den Luxus solcher Eskapaden nie erlaubt. Ein Versagen rief bei mir stets tiefes Schuldgefühl hervor, das Gefühl, meine Zeit verplempert und Chancen verpatzt zu haben.
    Als wir unseren Kuchen gegessen hatten, schien es ganz selbstverständlich, das Gespräch an einem ruhigen Ort fortzusetzen. Charles schlug den zentralen Platz vor. Ich schüttelte den Kopf und wandte ein, die Gegend dort komme mir wie eine ›insula‹ vor. Charles kannte sich in Geschichte nicht aus. »Eine insula«, erklärte ich ihm, »war im Alten Rom ein Kasten, ein Gebäudekomplex mit vielen Wohnungen.«
    »In der Stadt Rom?«, wollte Charles wissen.
    »Ja, in der Stadt«, bestätigte ich.
    Einen Augenblick lang dachte er verwirrt darüber nach, dann kam er mit dem nächsten Vorschlag: Wir könnten doch auf sein Zimmer gehen. »Ich kann ja Tee oder Wein bestellen.«
    »Ich hab von beidem die Nase voll«, sagte ich. »Können wir Mineralwasser besorgen?«
    »Bestimmt. Durrey hat eine recht ansehnliche Wasserader. Die ganze Gegend hier ist karstiges Gebiet aus der prätharsischen Zeit.«
    Mit einem kleinen Wagen fuhren wir zur Arkade auf der anderen Seite. Dort befanden sich Hotels und Pensionen für die Leute, von denen Shinktown eigentlich lebte: von den Studenten.
    Ich glaube nicht, dass ich irgend etwas Besonderes erwartete, als wir in Charles Zimmer gingen. An der Einrichtung war nichts Auffallendes. Sie war billig, ordentlich, wurde von Robotern saubergehalten, hatte keine Nano-Extras und war in freundlichen Farbtönen – Beige, Hellgrün und Grau – gehalten. In dem Bett konnte nur eine Person bequem schlafen. Ich setzte mich auf den Rand. Plötzlich schoss mir der Gedanke durch den Kopf, Charles könne womöglich mehr von mir erwarten, nachdem ich schon so weit mitgegangen war. Allerdings hatten wir uns nicht einmal geküsst und ausgemacht, unser Gespräch hier fortzusetzen. Trotzdem fragte ich mich, wie ich reagieren sollte, falls Charles einen Vorstoß wagte.
    »Ich bestell das Wasser«, sagte Charles. Er machte zwei Schritte vom Schreibtisch weg und wusste dann nicht, ob er sich in den Schaukelstuhl oder neben mich auf die Bettkante setzen sollte. »Mit Kohlensäure oder ohne?«
    »Ohne«, sagte ich.
    Er stellte sein Kom auf die Schreibtischkonsole und gab die Bestellung ein: »Sie sind hier recht lahm. Dauert bestimmt fünf Minuten. Es sind alte Roboter.«
    »Knirschen wohl schon im Getriebe«, sagte ich.
    Er lächelte, nahm im Schaukelstuhl Platz und blickte sich um. »Nicht viel Luxus hier. Kann mir nicht mehr leisten.« Der eine Sessel, ein kleiner Schreibtisch mit dem Kom- und Netzanschluss, ein hochklappbares Einzelbett mit dünnem Überwurf, eine Dampfdusche hinter einer schmalen Tür, Waschbecken und Toilette (letztere hinter einem Vorhang versteckt und in die Wand eingelassen) – all das war in einen Raum gequetscht, der nicht mehr als drei mal vier Meter maß.
    Beiläufig fragte ich mich, wie viele Leute hier wohl schon miteinander geschlafen hatten. Und unter welchen Umständen.
    »Wir könnten Jahre damit zubringen, Sean und Gretyl verstehen zu wollen«, sagte Charles. »Ich möchte aber nicht, dass du denkst, ich hätte das alles schon vergessen.«
    »O nein.«
    »Es gehen mir einfach zu viele andere Dinge durch den Kopf, über die ich nachgrübeln muss.« Er sprach das Wort so aus, als wolle er sich über sich selbst lustig machen oder das mögliche Gewicht des Ausdrucks abschwächen. »Ich kann mir den Kopf nicht auch noch über die Fehler zerbrechen, die wir gemacht haben.«
    »Haben wir denn Fehler gemacht?«, fragte ich und strich ein paar Fältchen in dem Bettüberwurf glatt.
    »Ich glaube schon.«
    »Was für Fehler?«, hakte ich nach. Inzwischen war ich wieder wütend, zeigte es aber nicht.
    Schließlich zog Charles den Sessel vor, stützte die Ellbogen auf die Knie und faltete die Hände vor sich. »Wir sollten unsere Anführer sorgfältiger auswählen«, sagte er.
    »Glaubst du, Sean war ein schlechter Führer?«
    »Du hast doch selbst gesagt, er sei ein Ungeheuer«, erinnerte mich Charles.
    »Es ist für uns alle schlecht gelaufen«, sagte ich. »Wenn es

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