Heimat Mars: Roman (German Edition)
zur Haarkur, das wie Schlamm aussah. Diane schwor darauf. Das Zeug tropfte ihr träge am Schädel herunter. »Ich weiß, ich weiß«, sagte sie, »ich sehe verheerend aus. Was verschafft mir die Ehre?«
Ich erzählte ihr von Charles und seiner schlimmen Lage. Ich erzählte ihr auch, dass er mir einen Heiratsantrag gemacht hatte und dass wir jetzt nicht heiraten konnten. Und dass ich völlig verwirrt sei.
Sie pfiff durch die Zähne und ließ sich aufs Bett fallen. »Der Typ hat wirklich Lichtgeschwindigkeit drauf, meinst du nicht?«, fragte sie und kniff die Augen zusammen. Wenn man über einen solchen Abstand miteinander sprach, war es immer anders, als wenn man sich zusammen in einem Zimmer aufhielt, aber Dianes Art überbrückte die Distanz. »Du hast ihm hoffentlich gesagt, dass er mal langsam machen soll!«
»Ich glaube nicht, dass er das schafft. Er klingt so fürchterlich verliebt.«
»Das ist entweder ganz toll, oder aber es nervt dich ab. Was von beidem empfindest du denn?«
»Er ist so aufrichtig und … so süß. Ich hab ein schlechtes Gewissen, dass ich nicht einfach Hals über Kopf auf ihn geflogen bin.«
»Na ja, er ist dein erster richtiger Freund, und das allein ist schon süß. Aber du hast deiner Tante Di noch gar nicht gesagt, was du empfindest. Liebst du ihn?«
»Ich fürchte, ich werde ihm weh tun.«
»Ach, ich meine: o je.«
»Du klingst so erfahren «, sagte ich gereizt und knetete meine Finger.
»Ich wünschte, ich wäre es. Casseia, hör auf damit, auf und ab zu tigern und entspann dich. Du machst mich ganz nervös.«
Ich setzte mich.
»Du bist mit ihm nach Très Haut Médoc gefahren. Er ist dir ja nicht einfach so an die Wäsche gegangen. Du musst etwas Besonderes in ihm gesehen haben. Liebst du ihn?«
»Ja.«
»Aber du willst dich nicht binden.«
»Nicht sofort.«
»Jemals?«
Ich wägte den Kopf und sagte weder ja noch nein. »Sag mir bloß nicht, dass das dumm von mir ist, weil er so hübsch und nett ist. Das weiß ich bereits.«
»Nichts dergleichen, Casseia. Obwohl ich dich ein bisschen beneide. Schließlich ist er klug, und er war bestimmt auch gut …«
»Er war sehr gut !«
»Und er ist bereit zu warten. Also warte noch.«
Ich presste die Lippen aufeinander und starrte sie an. »Und was ist, falls ich beschließe, mich überhaupt nicht zu binden? Wäre das fair? Dann hätte er seine Zeit mit mir vertrödelt …«
»Mein Gott, Casseia. Ich hoffe nur, dass das nie ein emanzipierter Erdenbürger hört. Wir Marsianer sind so fürchterlich ernsthaft. Liebe ist noch nie eine Zeitverschwendung gewesen. Willst du ihn denn fallenlassen und es mit jemand anderem versuchen?«
»Nein!«, antwortete ich wütend.
»He, das ist immerhin eine Möglichkeit. Niemand zwingt dich zu irgend etwas. Vergiss das nicht.«
Das Gespräch mit Diane zog mich nur noch tiefer runter. »Jetzt fühl ich mich wirklich grässlich«, sagte ich. »Ich leg besser auf.«
»Auf keinen Fall. Warum bist du in dieser Angelegenheit so empfindlich?«
»Weil ich anders empfinden müsste, wenn ich ihn wirklich liebte. Ich sollte eindeutige Gefühle haben und nicht so hin- und hergerissen sein. Ich sollte glücklich sein und ihm alles geben.«
»Du bist zehn Jahre alt, Casseia. Junge Liebe ist nie vollkommen.«
»Er rechnet in Erdenjahren«, jammerte ich.
»Ah, ein Minuspunkt. Welche Fehler hat er sonst noch?«
»Er ist so klug. Von seiner Arbeit verstehe ich überhaupt nichts.«
»Beleg einen Kurs. Er will dich doch nicht als Laborassistentin oder weiblichen Roboter engagieren, oder?«
»Wenn ich nicht in seiner Nähe bin, kenn ich mich in meinen eigenen Gefühlen überhaupt nicht mehr aus.«
Diane verzog missbilligend ihr Gesicht. »Schon verstanden, wir bewegen uns im Kreis. Wer wartet als Ersatzkandidat an der Ecke?«
»Niemand.«
»Du weißt, wie Männer auf dich reagieren. Du bist eine attraktive Frau. Charles ist nicht der einzige geile Bock auf dem Mars. Du kannst es dir leisten, alles ein bisschen lockerer zu nehmen. Was weißt du überhaupt über Charles? Du weißt, dass seine Familie nicht reich ist … seine BG hat Probleme mit der Erde … er will Physiker werden und alles begreifen. Er sieht gut aus, er ist lieb, er ist auf die Marsoberfläche ganz versessen … Mein Gott, Casseia, ich hau dir eine runter, wenn du ihn einfach fallenlässt !«
Ich schüttelte den Kopf, den ich sowieso schon hängen ließ. »Ich muss auflegen, Diane.«
»Es tut mir leid, dass ich dir nicht helfen
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