Heimat Mars: Roman (German Edition)

kann.«
    »Macht nichts.«
    »Liebst du ihn, Casseia?«, fragte sie noch einmal mit durchdringendem Blick.
    »Nein!« Ich fummelte am Apparat, um die Verbindung abzubrechen, hatte aber keinen Erfolg.
    »Lass mich jetzt nicht hängen, liebe Zimmergenossin«, protestierte Diane. »Du liebst ihn gar nicht?«
    »Ich kann es nicht. Jedenfalls im Augenblick nicht. Nicht mit Haut und Haar.«
    »Bist du sicher?«
    Ich nickte.
    »Könntest du ihn denn irgendwann lieben?«
    Ich starrte sie verwirrt an. »Er hat sehr viel Überzeugungskraft.«
    »Mit Haut und Haar?«
    »Wahrscheinlich nicht. Nein. Ich glaube nicht.«
    »Dann sei wenigstens lieb. Sag ihm ehrlich, was du im Moment empfindest.«
    »Das werde ich tun.«
    Sie sah kurz weg und holte irgend etwas heraus. »Du kennst mich«, sagte sie. »Immer emsig wie ein Eichhörnchen. Na ja, ich hab hier eine interessante Sache, falls du sie hören möchtest.«
    »Was?«
    »Charles mag auf die Marsoberfläche fixiert und gut im Bett sein, aber er hat auch Pläne, Casseia. Hast du Informationen über deinen Freund eingeholt?«
    »Nein.«
    »Ich sorge immer dafür, dass ich über meine männlichen Freunde so viel wie möglich in Erfahrung bringe. Männer können so falsch sein.«
    Ich fragte mich, was sie mir jetzt wohl um die Ohren hauen würde, und meine Schultern verspannten sich. Dass er in Wirklichkeit ein Zentralist war, dass er in den unterirdischen Kuppeln für Caroline Connor spioniert hatte?
    »Das hier ändert nichts an der Tatsache, dass er ein netter Kerl ist. Aber der gute Charles möchte ein echter Physiker werden, Casseia. Er hat sich darum beworben, der Forschung zur Verbesserung unserer Kapazitäten als Versuchsperson zu dienen.«
    »Na und? Das ist doch eine fortschrittliche Sache. Selbst Majumdar befürwortet sie.«
    »Klar. Und auf der Erde sind sie sowieso alle dafür. Aber Charles hat sich für einen Versuch beworben, bei dem man die Versuchsperson an einen Denker der Quantenlogik anschließt.«
    Das verschlug mir für einen Augenblick die Sprache. »Woher w… weißt du das?«
    »Aus öffentlich zugänglichen Unterlagen, medizinisch orientierten Forschungsanträgen an der Mars-Universität Sinai. Er hat sich im letzten Frühsommer beworben, vor den Protestaktionen.«
    Mir schwammen alle Felle davon. »O Gott«, stöhnte ich.
    »He, wir wissen ja gar nicht viel über eine solche Verbindung.«
    »Mit einem QL-Denker kann man nicht mal reden !«, sagte ich.
    »Ich wollte dir wirklich nichts vermiesen, Casseia, aber ich dachte mir, dass du es wissen möchtest.«
    »Oh.«
    »Wann bist du wieder da?«
    Ich murmelte irgendeine Antwort und legte auf. Mein Kopf war leer. Ich wusste nicht, ob ich mich ärgern oder heulen sollte.
    Auf dem Mars hatten wir von der Welle der Verbesserungen, Transformationen und Nano-induzierten Veränderungen, die die Erde überrollte, nur wenig mitbekommen. Bei uns nahm man nur leichte Anpassungen, genetische Korrekturen vor und bot Therapien für schwere mentale Störungen an, aber die meisten Marsianer hielten sich von den extremen Möglichkeiten zurück. Manche waren außerhalb der Erde auch gar nicht zugänglich, andere passten einfach nicht zu unserer pragmatischen Haltung, die vom Pioniergeist geprägt war. Ich glaube, in unserer Kultur herrschte Einigkeit darüber, dass der Mars es der Erde und in geringerem Maße auch dem Mond überlassen sollte, radikale Veränderungen auszuprobieren. Der Mars würde die Revolution zehn oder zwanzig Jahre lang aussitzen und die Ergebnisse abwarten.
    Wenn das, was Diane erfahren hatte, stimmte – und ich hatte keinen Grund, daran zu zweifeln –, dann war Charles offensichtlich drauf und dran, sich auf Messers Schneide zu begeben.
    Wenn ich vorher in meinem jugendlichen Überschwang hin- und hergerissen gewesen war, dann war ich jetzt einer Panik nahe. Wie sollte ich irgendeine normale Beziehung zu Charles pflegen, wenn er sich in seinem geistigen Leben vor allem darauf konzentrierte, den wunderlichen Einfällen der Quantenlogik zu folgen? Warum wollte er das überhaupt?
    Die Antwort war eindeutig: Er wollte es, um ein besserer Physiker zu werden. Die Quantenlogik reflektierte letztendlich die Art und Weise, wie das Universum funktionierte. Die menschliche Logik – und auch die mathematisch-neurale Logik, wie sie in den meisten Produkten mit künstlicher Intelligenz implantiert war – funktionierte dagegen am besten, wenn sie sich mit der glatten Oberfläche der Realität befasste.
    Alles, was