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Heimat Mars: Roman (German Edition)

Heimat Mars: Roman (German Edition)

Titel: Heimat Mars: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Nationen bis zum Jahre 2070 zu einer wirtschaftlichen Gemeinschaft zusammengeschlossen hatten, wurde ein fast unerträglicher Druck auf alle Abweichler ausgeübt, die Eigenarten und Fehler der Natur oder der Erziehung beseitigen zu lassen. Für diejenigen, deren psychologisches Profil als unzulänglich galt, wurde es immer schwieriger, eine Vollzeitbeschäftigung zu finden.
    Gegen Ende des einundzwanzigsten Jahrhunderts machte die Unterschicht der Nicht-Therapierten ungefähr die Hälfte der Menschheit aus, trug aber nur ein knappes Zehntel zur Weltproduktion bei. Nationen, Kulturen, politische Theorien mussten den Therapierten Rechnung tragen, um zu überleben. Für einige war der Wandel drastisch, ja sogar brutal, aber längst nicht so brutal wie frühere Strömungen in der menschlichen Geschichte. Alice erinnerte mich daran, dass der Wandel nicht zum Tod politischer oder religiöser Organisation geführt hatte, sondern zu einer Art von Wiedergeburt. Normen, Philosophien und Religionen entwickelten ein höheres Niveau.
    Mit der Veränderung der Individuen ging ein Wandel des Gruppenverhaltens einher. Gleichzeitig wandelte sich in einer Art Rückkopplungseffekt auch der Welthandel. Anfänglich versuchten einige Nationen und die wichtigsten Konzerne, ihre alten Vormachtstellungen und ihre Unabhängigkeit aufrechtzuhalten. Aber in den letzten Jahrzehnten des einundzwanzigsten Jahrhunderts war es soweit, dass super-nationale Konzerne – gemeinsam betrieben und geleitet von therapierten Arbeitern und eng verbündeten Managern – die Weltwirtschaft beherrschten, auch wenn diese Tatsache durch die immer noch bestehenden demokratischen Staatsregierungen verhüllt wurde. Aus Tradition, der über die Zeit angehäuften Summe kultureller Wunschvorstellungen, wurden bestimmte Maskeraden beibehalten. Aber Individuen und Gruppen mit Durchblick konnten das Offenkundige mühelos registrieren.
    Die Konzerne im Besitz der Arbeiterschaft nahmen gemeinsame wirtschaftliche Interessen wahr. Handel und Besteuerung wurden über die Grenzen hinweg einheitlich geregelt, die Währungen vereinheitlicht und weltweite Kreditnetze geschaffen. Wirtschaft wurde zur Politik. Mit den multinationalen Allianzen nahm die neue Wirklichkeit feste Formen an.
    GOWA, die Große Ost-West Allianz, umfasste Nordamerika, den größten Teil von Asien und Südostasien, Indien und Pakistan. Die Große Allianz der Südlichen Hemisphäre, GASH, vereinigte Australien, Südamerika, Neuseeland und den größten Teil von Afrika. EUROCON entwickelte sich aus der Europäischen Union, später traten ihr auch die Staaten des. Baltikums und des Balkans, Russland und die Türkische Union bei.
    Bündnisfreie Staaten gab es vor allem im Mittleren Osten und in Nordafrika, dabei handelte es sich um Nationen, die sowohl die erste industrielle als auch die zweite kommunikationstechnische Revolution verpasst hatten.
    Am Anfang des zweiundzwanzigsten Jahrhunderts untersagten viele Regierungen der Erde allen Nicht-Therapierten die Arbeit in sensiblen beruflichen Sphären, sofern sie nicht als von Natur aus Hochbegabte eingestuft wurden, als Menschen also, die auch ohne Therapie den neuen Anforderungen genügten. Und die Definition dessen, was als sensible berufliche Sphäre galt, wurde immer weiter ausgedehnt.
    Damals gab es erst ansatzweise Siedlungen auf Mond und Mars. Wer sich dort niederlassen wollte, musste hohe Anforderungen erfüllen. Außenseiter konnten sich dort nicht verstecken. Das Abenteuer der Marsbesiedelung zog so viele Menschen in seinen Bann, dass die Verantwortlichen sehr wählerisch sein konnten. Sie lehnten sogar Therapierte zugunsten von Natur aus Hochbegabter ab, die den Großteil der ersten Siedler ausmachten.
    Alle Siedlungen des neuen Dreierbundes billigten Therapien. Die meisten lehnten allerdings Zwangstherapie, die neue Geißel der Erde, ab.
    Nach und nach war die erdrückende Prüfungsatmosphäre gewichen und hatte einer lockeren Unterhaltung Platz gemacht. Alice hatte das Gespräch so geschickt gelenkt, dass es mir kaum bewusst geworden war.
    Ich fragte mich, wie das Leben in einer Welt voller Macken und voll geistigen Unrats wohl ausgesehen hatte. Ich fragte Alice, wie sie sich eine solche Welt vorstelle.
    »Als sehr interessant und viel gefährlicher«, antwortete sie. »In gewisser Hinsicht war die menschliche Natur damals vielfältiger. Aber leider war diese Vielfalt häufig nutzlos und auf Zerstörung ausgerichtet.«
    »Hast du eine Therapie

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