Heimat Mars: Roman (German Edition)

Für jeden Eloi, der von der Erde flüchtet …«
    »… einwandert«, verbesserte Hettie Bishop trocken.
    »… einwandert – zahlen sie uns eine Million Dreierbund-Dollars, wie ich dieser erlauchten Versammlung ins Gedächtnis rufen möchte. Und das Geld fließt zuallererst auf die Konten der BG Majumdar.«
    Bithras hörte aufmerksam zu.
    »Ich verstehe also nicht, welches Interesse die Erde an stärkeren Bezirksregierungen haben sollte«, schloss Bodrum und faltete die Hände.
    »Sie drängen auf eine vereinigte Regierung. Und darauf, dass die BGs entmachtet werden«, sagte Samuel Washington aus Bauxite, das in den Bergen von Nereidum lag. »Das Ziel verfolgen sie schon seit zehn Jahren. Und sie sind bereit, erheblichen Druck auszuüben.«
    »Welche Art von Druck können sie anwenden?«, fragte Hettie Bishop.
    Die neben ihr sitzende Nance Misra-Majumdar, die älteste unserer Anwältinnen und Anwälte, kicherte und schüttelte den Kopf. »Zweihundertneunzigtausend Erdbewohner sind in den letzten zehn Jahren auf dem Mars eingewandert. Sie haben ihren Weg gemacht, haben hohe und verantwortungsvolle Stellungen in jeder BG erobert, manche arbeiten beim Rat …«
    »Worauf willst du hinaus, Nance?«, fragte Hettie.
    Nance zuckte die Achseln. »Früher nannte man sie die Fünfte Kolonne «, antwortete sie.
    »Sie alle?«, fragte Bithras ironisch.
    Nance lächelte nachsichtig. »Unsere Denker werden auf der Erde produziert. Es kann noch Jahre dauern, bis die Denker in Tharsis serienmäßig hergestellt werden. Alle unsere Nano-Fabriken stammen von der Erde, zumindest ihre Konstruktionspläne.«
    »Niemand hat je irgendwelche Unregelmäßigkeiten in den Konstruktionen oder in der Software festgestellt«, sagte Hettie. »Nance, wir haben keinen Grund, Verfolgungswahn zu entwickeln.«
    Bithras hob das Kinn von der Hand und drehte seinen Sessel halb herum. »Ich sehe keinen unmittelbaren Anlass, sich Sorgen zu machen, aber Nance hat recht. Theoretisch gibt es viele Möglichkeiten, uns das Wasser abzugraben, auch ohne größere militärische Expedition quer durch den Weltraum. Und die konnte man bislang ja sowieso nicht durchführen, selbst eine so reiche und mächtige Welt wie die Erde schafft das nicht.«
    Ich konnte kaum fassen, dass hier solche Dinge besprochen wurden. In mir mischte sich Skepsis mit Widerwillen und Faszination.
    »Wir verfügen nicht über eine organisierte Abwehr«, stellte Nils Bodrum fest. »Was für eine zentralistische Regierung spricht, ist die Tatsache, dass es damit leichter ist, ein Heer auszuheben und unseren Planeten zu verteidigen.«
    Bithras war der Verlauf des Gesprächs sichtlich unangenehm. »Freunde, das ist kein ernsthaftes Problem, bislang jedenfalls nicht. Die Erde will einfach, dass wir bei Verhandlungen eine vereinte Front darstellen, und sie hat sich die größte und finanzkräftigste BG – uns – herausgegriffen, um die Vereinigung voranzutreiben. Wenn ihr mir diesen Ausdruck erlaubt.«
    »Warum sollte Vereinigung ein unanständiges Wort sein?«, sagte Hettie. »Mein Gott, als Anwältin sage ich euch, ich würde liebend gern einen Weg aus dem Sumpf der Sonderfälle und Albernheiten finden, die wir unsere Charta nennen.«
    »Der Mond hat das schon vor Jahrzehnten hinter sich gebracht«, warf Nance ein. »Seit der Abspaltung, seit der Zeit, als die Erde es sich nicht mehr leisten konnte, solche weit verstreuten Welten zu verwalten und wir uns von ihr verabschiedeten, seit dieser Zeit …«
    »Klingt ein bisschen wie eine LitVid-Geschichtslektion«, bemerkte Nils grinsend.
    »… Seit dieser Zeit haben wir mit Streit und Zank unsere verschlungenen Wege zu permanenter Unruhe verfolgt«, fuhr Nance nach kurzer Pause und einem wütenden Blick fort. »Der Mond hat eine Lösung gefunden, seine Verfassung geändert …«
    »Und wurde von der Erde wieder einverleibt«, bemerkte Nils. »Die können doch nur davon träumen, unabhängig zu sein.«
    »Wir sind viel weiter entfernt«, sagte Hettie.
    Nils ließ sich nicht beirren. »Wir brauchen keine Ordnung, die uns von außen übergestülpt wird. Wir brauchen Zeit, um unseren eigenen Weg, um die für uns beste Lösung zu finden.«
    Bithras seufzte tief. »Meine hochgeschätzten Anwältinnen und Anwälte erzählen mir olle Kamellen, und das wieder und immer wieder.«
    »Wenn du diesen Kompromissvorschlag auf der Erde präsentierst«, sagte Hettie, »wie willst du sie denn eigentlich davon überzeugen, dass du diesen Vorschlag im Rat auch