Heimat Mars: Roman (German Edition)
mochte. Egal, welche Entfernungen wir dafür überwinden mochten.
Joanna brachte uns zum Capital Tower-Komplex, einer weitläufigen Anlage in Grün- und Weißtönen, die zwanzigtausend Wohnungen, Hotels und Firmengebäude umfasste.
Der Komplex wurde gemäß seiner Bestimmung von Menschen aller Länder und Kontinente genutzt, wie Joanna erklärte (um nachträglich schnell hinzuzufügen: »… und natürlich auch von Besuchern aus dem All.«). Die wabenartigen Bauten erstreckten sich über zwei Quadratkilometer. Sie befanden sich an dem Ort, an dem früher das gefürchtete Pentagon gestanden hatte, das Zentrum der gefürchteten Streitkräfte der alten Vereinigten Staaten von Amerika.
Für uns waren Zimmer in der Präsidentensuite des Grand Hotels am Potomac reserviert worden. Sie lagen zu ebener Erde auf der Nordseite des Capital Tower und boten Aussicht auf den Fluss.
Joanna verließ uns, nachdem sie sich davon überzeugt hatte, dass alles nach unseren Wünschen war. Allen und ich standen in der Mitte der Suite herum und wussten nicht recht, was wir als nächstes anfangen sollten. Bithras tigerte mit finsterem Blick im Zimmer auf und ab.
Die Suite protzte seit unserer Ankunft mit all dem Luxus, den sie bieten konnte. Verschiedenste Designs und Dekors glitten über Räume, Betten und Möbel, LitVids tauchten plötzlich vor unseren Augen auf: Wir hatten die Wahl. Welche speziellen Bildungs- und Unterhaltungsprogramme des Capital Tower wollten wir reservieren? Roboter stellten sich in zwei Dreierreihen vor uns auf und boten ihre Dienste an. Sie trugen eine hochmodische Livree, die es so nur auf der Erde geben konnte: Anzüge aus grünem Samt und schwarzer Seide, winzige rote Hüte. Sie sahen völlig anders aus als die Roboter auf dem Mars, die nichts anderes als ihre Häute aus Plastik, Keramik und Metall trugen. Schlecht und recht und so rasch wie möglich trafen wir unsere Wahl, vor allem Allen und ich. Bithras ließ sich in einen Sessel fallen, der schließlich ein schwedisches Design des zwanzigsten Jahrhunderts angenommen hatte.
»Diese Leute «, stöhnte er. »Wenn sie und ihre verdammten Zimmer nur endlich mal zur Ruhe kämen !«
»Vergebliche Hoffnung«, sagte Allen. Er starrte aus dem Fenster, das einen direkten Blick auf den Fluss bot. Jenseits des Flusses konnte man in der Ferne die Hauptstadt der Vereinigten Staaten der Westlichen Hemisphäre erkennen. Im Vordergrund säumten verstreute Gebäude, die noch zu Virginia gehörten, das Ufer des Potomac. In Washington, D.C., selbst durfte nichts höher sein als die Kuppel des Capitol, das war seit Jahrhunderten Gesetz. Ich wartete sehnlichst darauf, endlich durch die Einkaufspassagen, Parks und alten Viertel zu laufen, wollte unter den Bäumen spazieren, die ihre Baldachine wie wogende grüne Teppiche ausbreiteten, wie ich von hier aus sehen konnte.
»Es regnet immer noch«, sagte ich mit Ehrfurcht.
»Nieselregen nennt man das hier, glaube ich«, korrigierte mich Allen. »Es nieselt. Was das Wetter betrifft, müssen wir noch einiges dazulernen.«
»Wetter«, sagte ich tiefsinnig. Allen und ich lachten.
Bithras stand auf und streckte nervös die Arme aus. »Uns bleiben noch sieben Tage, bis wir vor dem Kongress sprechen müssen. Noch drei Tage, bis die Konferenzen mit den Unterausschüssen und den Abgeordneten des Senats und des Repräsentantenhauses beginnen. Bleiben uns also zwei Tage für die Vorbereitung und die Treffen mit den BG-Partnern, ein Tag für Besichtigungen. Ich bin heute zu nervös und deprimiert, um noch zu arbeiten. Alice und ich bleiben hier. Ihr könnt tun, wozu ihr Lust habt«, sagte er verdrießlich.
Allen und ich tauschten Blicke. »Wir gehen spazieren«, schlug ich vor.
»Einverstanden«, sagte Allen.
Bithras schüttelte den Kopf, als habe er Mitleid mit uns. »Die Erde nervt mich jetzt schon«, stellte er fest.
Der Himmel hatte sich aufgeklart, als wir mit einem Taxi nach Washington, D.C., hineinfuhren. Allen und ich hatten während der Reise nicht viel miteinander unternommen, aber jetzt waren wir wie Geschwister. Gemeinsam genossen wir den Wind, die reine, frische Luft, die Sonne auf unseren Gesichtern und, als Allerschönstes, die Kirschbäume, die in voller Blüte standen. Wir erfuhren, dass die Bäume jeden Monat einmal blühten, selbst im Winter. Die Touristen erwarteten das einfach.
»Das ist unnatürlich, weißt du«, sagte Allen. »Früher haben sie nur im Frühling geblüht.«
»Weiß ich doch«, antwortete ich
Weitere Kostenlose Bücher