Heimat Mensch - Was uns alle verbindet
bin, habe ich selbstverständlich Fotos von Deutschland, Köln, meinen Eltern und Freunden im Koffer. Bilder der Familie und der Freunde stoßen immer und überall auf Nachfrage. Darauf stürzen sich alle. Sie werden mir aus den Händen gerissen, und jeder will auch eins behalten. Die einzige Lösung ist, von einzelnen Bildern viele Abzüge dabeizuhaben.
Ekman hat für diese Reise seinen »Musterkoffer« erweitert. Es sind nicht nur Bilder von Menschen aus westlichen Ländern und Ostasien dabei, die Gefühle zeigen. Zusätzlich hat er aus Filmen, die Kollegen bei den Fore gedreht haben, Gesichter herauskopiert und aufgezogen – für den Fall, dass die Fore Schwierigkeiten haben, die Gesichter von Weißen oder Asiaten zu deuten. Diesmal wendet er auch eine etwas andere Methode an. Er legt jeweils ein Bild mit einem Gesicht hin und bittet seine Probanden, dazu eine passende Geschichte zu erzählen. Resultat: Die Gefühle werden fast alle so gedeutet, wie sie gemeint waren. Nur bei der Furcht und der Überraschung fiel den Fore die Unterscheidung und Zuordnung schwerer als Amerikanern.
Westliche Befragungsmethoden erzeugen in anderen Kulturen oft künstliche Situationen oder Missverständnisse. Fragebogen werden willig ausgefüllt, aber der Inhalt ist den Leuten eher egal. Ein formales Interview erscheint vielen Menschen als Intelligenztest. Das führt oft zu falschen Ergebnissen. Ekman überlegt sich, wie man seine Fotomethode noch besser an die Kultur anpassen kann. Nach einiger Zeit bei den Fore kennt er typische Lebenssituationen und gängige Lebensprobleme. Wie bei den Eipo jenseits der Grenze zu Indonesien dreht sich ihr Leben um Landwirtschaft und vor allem um die Schweine. Außerdem ist ihm aufgefallen, wie oft Kinder begraben werden müssen. Also legt er jetzt eine ganze Palette von Gefühlsbildern hin und fragt: »Welches Foto zeigt einen Menschen, dessen Kind gerade gestorben ist?« Oder: »Wer ist hier der, der gerade ein verwesendes Wildschwein sieht?« Fazit: keine Unterschiede zu Chicago oder sonst wo in der Welt.
Welche Rolle spielt also die Kultur? Die Gesellschaft sagt uns, mit welchem Gefühl wir reagieren sollten. Die Erziehung sagt uns, ob wir unsere Gefühle zeigen sollen oder nicht. So heißt es in vielen Kulturen: »Männer weinen nicht.« Ekman und andere Psychologen haben in allen Details gleiche Situationen mit japanischen Versuchspersonen wiederholt: Einmal waren sie allein, das andere Mal waren andere Menschen dabei. Das Ergebnis: Die Japaner zeigten Gefühle, etwa Stress oder den Ärger bei langem Warten, nur, wenn sie allein waren und sich unbeobachtet fühlten. Unsere jeweilige Kultur sagt uns, welche Situationen für das offene Zeigen von Gefühlen passend sind.
Uns Menschen sind die Gefühle also einerseits ins Gesicht geschrieben, andererseits sind wir auch alle Schauspieler. Ekman spricht deshalb von »Darstellungsregeln«, bei denen die Unterscheidung von Privatsphäre und Öffentlichkeit die zentrale Rolle spielt. Und diese Grenze ist von Kultur zu Kultur sehr verschieden. Psychologen sagen uns, dass die Frage, ob Menschen Gefühle zeigen oder nicht, abhängig ist von der sozialen Situation. Eine halbernste Drohung wie »Lach jetzt bloß nicht!« zeigt, dass man Emotionen verbergen kann, auch wenn’s manchmal schwerfällt. Die Gefühle selbst sind dagegen universal, und die Kulturen haben größte Mühe, sie im Zaum zu halten. Fast niemand ist fähig, seine Gefühle komplett zu verstecken. Wer erinnert sich nicht an die gereizte Ermahnung einer Autoritätsperson: »Hör auf zu grinsen, wenn ich mit dir rede!«
Lach jetzt bloß nicht!
Paul Ekman stellt seine Befunde 1969 auf der großen Tagung der American Anthropological Association vor, unter Ethnologen kurz Triple A , und stößt auf eine Mauer des Widerstands. Dass jede Kultur ihre Präsentationsregeln für Gefühle hat, reicht den Kollegen nicht. Der biologisch-universale Anteil ist ihnen zu hoch, die alten Einwände werden wiederholt, und neue kommen dazu. Das Ergebnis sei nicht hieb- und stichfest, weil die Fotos die Aufmerksamkeit stärker auf das Gesicht lenkten als im täglichen Leben üblich, weil die Bilder gestellt seien, weil die Schauspieler den Ausdruck übertrieben deutlich machten. Die Kollegen stellen vertrackte Fragen: Ist Ekman sicher, dass die Befragten mit dem Wort »glücklich« dasselbe gemeint haben wie er?
Der Emotionsforscher überlegt sich, wie er die Einwände zerstreuen kann. Ideal wäre ein
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