Heimat Mensch - Was uns alle verbindet
Ethnologe aus dem relativistischen Lager, der eine nichtwestliche Kultur genau untersucht hat. Isolierte Kulturen sind bereits Ende der 1960er Jahre Mangelware, aber das Glück will es, dass Karl Heider gerade von seiner Feldforschung bei den Dani zurückkehrt. Sie leben weitgehend isoliert im Grenzgebiet zwischen Papua-Neuguinea und Indonesien. Heider ist Sprachspezialist und hängt der dominanten kulturrelativistischen Strömung der Ethnologie an. Von Ekmans Thesen hält er nichts. Er sagt ihm erst einmal klipp und klar, dass seine Dani gar keine Wörter für Emotionen haben. Aber Ekman lässt nicht locker und zeigt ihm sein über viele Jahre zusammengetragenes Material. Er schafft es, Heider zu überreden, dass dieser während seines nächsten Aufenthalts bei den Dani Fotointerviews macht. Er bringt ihm die Methode bei und zeigt ihm, wie man verhindert, dass die Befragten ahnen, welche Antwort man erwartet. Monate später geht Heider wieder ins Feld – und bestätigt Ekmans Befunde bis in die Details.
Glück, Zorn, Überraschung, Furcht, Trauer und Ekel. Diese sechs Emotionen gib es in allen Kulturen der Welt. Alle Menschen fühlen grundsätzlich gleich; diese grundlegenden Emotionen finden sich in allen Gesellschaften. Und diese Gefühlsregungen zeigen sich in Gesichtsausdrücken, die sich rund um den Globus gleichen. Worüber man sich beispielsweise ekelt, ist zwar zum Teil kulturell bedingt und sogar persönlich sehr verschieden. Was in einem Teil der Welt Grundnahrung ist, ruft woanders Abscheu hervor, mir wird schon bei der Vorstellung von Kutteln oder tibetischem Buttertee übel. Aber der Ausdruck ist überall gleich: Menschen, die sich ekeln, ziehen die Nase kraus. Wer sich über sein Glück freut, lächelt. Wer überrascht ist, hebt die Augenbrauen, öffnet den Mund und lässt die sprichwörtliche Kinnlade nach unten klappen. Wer zornig ist, kneift die Augenbrauen zusammen, senkt die Mundwinkel, beißt die Zähne zusammen und presst die Lippen aufeinander. Ob in Tokio, Toronto oder Timbuktu, diese Gesichtsausdrücke werden überall verstanden.
Ekmans Grundbefunde sind heute weitgehend akzeptiert, aber seine Thesen werden weiterhin kontrovers diskutiert. Dabei ist er kein blauäugiger Universalist, sondern sieht durchaus den Einfluss der Erziehung. Ekman will auch die Unterschiede im Empfinden zwischen einzelnen Personen nicht wegdiskutieren, die jeder Mensch aus engen Beziehungen kennt. »Wir alle erleben dieselben Emotionen, aber wir alle erleben sie anders. Unsere individuellen Unterschiede kreisen um dieselben Aspekte«, schreibt er in seinem jüngst erschienenen Buch. Ekman geht es vor allem um den Ausdruck und viel weniger um die Ursachen von Gefühlen. Und er ist überzeugt, dass uns unsere Gefühle nicht nur ins Gesicht geschrieben sind, sondern dass sie sich tatsächlich weitgehend dort widerspiegeln und weniger im Körper.
Es gibt aber Emotionen, für die kein klarer Gesichtsausdruck gefunden wurde: Eifersucht, Neid, Scham, Schuld und Mitleid. Einige dieser Emotionen sind ebenfalls universal, etwa Eifersucht. Dennoch kennen wir keinen gemeinsamen Ausdruck. Das heißt aber nicht, dass sie unwesentlich sind. Die Frage ist nicht ganz von der Hand zu weisen, ob die sechs von Ekman aufgeführten Gefühlsausdrücke nur eine Auswahl der sozial bedeutsamsten Emotionen darstellen. Vielleicht spiegeln sich in unserem Gesicht nur jene Gefühle, die für den Sozialpartner besonders prägnant gezeigt werden müssen. Vielleicht ist dies das Ergebnis einer langen Ko-Evolution zwischen Sender und Empfänger. Dann sind diese Grundemotionen aber gerade für die praktische Verständigung zwischen Kulturen entscheidend.
Gesamtkunstwerk Gesicht
Wie so oft war Darwin auch in dieser Frage seiner Zeit voraus. 1872, gut 100 Jahre vor Ekmans Studien, erschien sein Werk, das in deutscher Übersetzung Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren hieß. Um Informationen über Mimik zusammenzutragen, hatte er Fragebögen an Missionare und Forschungsreisende in allen Ecken der Welt geschickt. Er stellte dort Fragen wie: »Wird Erstaunen gezeigt, indem Augen und Mund weit geöffnet und dabei die Augenbrauen hochgezogen werden?« Von Hunderten verschickter Fragebogen kamen nur 16 beantwortet zurück. Die Post war damals langsam und unsicher. Darwin wollte nicht länger warten, er ergänzte die schwache Datenbasis durch eigene Studien. Und er war er ein genauer Beobachter. Über jedes seiner Kinder
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