Heimat Mensch - Was uns alle verbindet
erzeugen allgemeinmenschliche Metaphern. Beispiele dafür sind »Fortschritt ist Vorwärtsbewegung« und »Ursachen sind Kräfte«. Welches dieser schematischen Sprachbilder favorisiert wird, variiert je nach Umweltsituation und Kultur. Das metaphorische Beziehen auf physische Dinge hat in ganz verschiedenen Sprachen identische Konnotationen. In vielen Sprachen wird »rechts« mit »recht«, »richtig« und »gut« assoziiert. So ist es im Englischen, einer indogermanischen Sprache, und in der Bahasa Indonesia , die einer ganz anderen Sprachfamilie angehört. Neuere sprachwissenschaftliche und kognitionspsychologische Untersuchungen über miteinander nicht verwandte Sprachen zeigen, dass es in allen menschlichen Gesellschaften nicht nur einzelne Metaphern, sondern eine große Fülle von Metaphorik gibt. Auch die Verwendung von Pars-pro-Toto-Ausdrücken, die Linguisten »Metonymien« nennen, ist universal. In einer Kölner Gaststätte weist eine Kellnerin ihre Kollegin darauf hin, das ein Gast noch zahlen muss: »Hanni, das Schnitzel hat noch nicht bezahlt!«
Der Ton macht die Musik
In sämtlichen bekannten Kulturen werden Tonfall und Timing für die Modulierung des sprachlichen Ausdrucks eingesetzt. Auch Lautmalerei findet sich überall. Der deutsche Frosch »quakt«, sein indonesischer Kollege wird kodok genannt und macht guik-uik . Linguisten bezeichnen das mit dem Zungenbrecher »Onomatopoesie«. In allen Kulturen wird gedichtet. Freunde der Poesie mögen in manchen Gesellschaften in der Minderheit sein, wie in unserer eigenen. Dennoch gibt es überall Gedichte, die in Einheiten mit Wiederholungen und Pausen vorgetragen werden. Die Länge von Gedichtstrophen ist sehr unterschiedlich. Wenn ein Gedicht jedoch vorgelesen wird, macht der oder die Vortragende etwa alle drei Sekunden eine Pause, völlig unbewusst. Überall bestehen Vorstellungen über passende Standards in Poesie und Rhetorik, auch wenn diese Standards verschieden sind.
Es gibt universale Regeln der Höflichkeit der Sprache. In allen bislang daraufhin untersuchten Sprachen gilt, dass eine Rede desto länger ist, je höflicher sie gemeint ist. Die Erfahrung zeigt, dass man das allerdings auch übertreiben kann. In allen menschlichen Sprachen existieren zudem mehrere Spezialformen, Spracharten für besondere Situationen, wie Rituale oder Ansprachen. Überall ist es üblich, den Sprachcode je nach Sprecher, Adressat und Situation zu variieren. Dazu passt, dass gute Sprachkenntnis offenbar in allen Gesellschaften mit hohem Prestige verbunden ist. In vielen Kulturen ist üblich, was ich von Deutschtürken oder Türkdeutschen aus Köln kenne. Sie wechseln ständig zwischen zwei Sprachen. Oft sogar mitten im Satz.
Sprachuniversalien werden zunehmend auch von Forschern gefunden, die eigentlich primär an kultureller Differenz interessiert sind, etwa bei der sprachlichen Strukturierung sozialer Handlungen. Bei Informationsfragen werden überall Pronomen und eine erhöhte Stimme eingesetzt. Ähnlich verbreitet sind auch die Formen der Zustimmung sowie die Verwendung von Anhängen wie »nicht wahr« oder »o.k.?«, wenn man die Bestätigung einer Aussage einholen möchte. Universale Formen gibt es auch, wenn Sprecher die Qualität von Informationen oder ihren emotionalen Zustand anzeigen wollen. Um die Unsicherheit von Aussagen oder die indirekte Basis von Wissen zu markieren, zögert man überall die Worte hinaus und umrahmt das Gesagte. Unser »Ich denke, dass…« entspricht dem indonesischen saya rasa … – »Ich fühle, dass…«.
Die meisten der detaillierten Sprachuniversalien, die man in Büchern von Linguisten findet, sind an besondere Bedingungen geknüpft. Sie kommen in der Wenn-dann-Form daher: Wenn eine Sprache X hat, dann hat sie auch Y. In jeder Sprache mit einem Futur gibt es auch ein Präteritum, während das Umgekehrte nicht gilt. Jede Sprache, die gerundete Frontvokale hat, wie das »t« im französischen tu , verfügt auch über korrespondierende ungerundete, wie das »d« im Wort dire . Dominiert die Wortstellung Subjekt – Objekt – Verb wie beim Japanischen, dann hat diese Sprache nur Post- statt Präpositionen. Gilt die Wortstellungsregel Adjektiv vor Nomen, dann steht auch das Numeral vor dem Nomen.
Universalien? Ja!
Keine einzige Sprache weltweit bewegt sich auf dem Level des Tarzan-Idioms. Das tun nur einzelne Menschen, die eine Sprache nicht beherrschen – wie wir als Touristen in einem unvertrauten Urlaubsland. Alle
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