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Heimat Mensch - Was uns alle verbindet

Titel: Heimat Mensch - Was uns alle verbindet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Antweiler
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Sprachen haben eine Grammatik. Überall gibt es Subjekt, Objekt und Prädikat. Schon unsere Urahnen lallten nicht vor sich hin. Auch sie hatten höchstwahrscheinlich Konstruktionen wie: »Barbie weiß, dass Ken glaubt, dass sie mit Johnny flirtet.« Denn auch der Tratsch der Steinzeit brauchte solche rückbezüglichen Wendungen. Alle Sprachen bringen sie hervor, weil die Gespräche des Alltags sich ganz wesentlich um soziale Beziehungen drehen.
    Zwischenmenschliche Belange machen etwa zwei Drittel der Gespräche aus, überall auf der Welt. Unsere Sprache ist nicht in erster Linie dazu da, um kluge Gedanken auszutauschen. Deshalb ist es nicht weit hergeholt, wenn Robin Dunbar Klatsch und Tratsch zur evolutionären Basis der Sprache erklärt. Gemeinsamkeiten dieser Art sind zutiefst bodenständig. Sie gehen uns alle an und sind im Grunde weit interessanter als die exotischen Anekdoten aus der pop-ethnologischen Mottenkiste.
    Gleichheiten oder Ähnlichkeiten zwischen Sprachen gibt es auf ganz unterschiedlichen Ebenen. Sie können sich in den Lauten, den Wörtern und in den Satzbaumustern finden, in der Sprechweise und wie wir sozial mit Sprache umgehen. Und sprachliche Universalien kommen in unterschiedlichen Graden vor. Manche lassen sich tatsächlich in allen bekannten Sprachen nachweisen. Andere finden sich »nur« in fast allen, oder sie sind viel häufiger, als zu erwarten wäre. Angesichts der fast 7000 Sprachen sind auch solche Fälle interessant und fordern eine Erklärung! Die Fast-Universalien können auf gemeinsame historische Wurzeln zurückgehen, zum Beispiel bei Ähnlichkeiten zwischen Sprachen einer Sprachfamilie. Gemeinsamkeiten von Sprachen können jedoch auch andere Ursachen haben, zum Beispiel die allmähliche Ausbreitung im Raum, etwa durch Händler oder Krieger.
    Ein neuer Weltatlas der Lautstrukturen und Satzbaumuster, in dem 2560 Sprachen kartografisch erfasst sind, bringt Überraschungen. Sprachen haben in der Regel viele Gemeinsamkeiten mit benachbarten Sprachen, auch wenn sie nicht mit ihnen verwandt sind. Das Finnische beispielsweise ähnelt dem in den Nachbarländern gesprochenen Schwedisch und Russisch, also einer indogermanischen und einer slawischen Sprache, mehr als den mit ihm verwandten finnougrischen Sprachen, wenn man sämtliche Sprachmerkmale berücksichtigt.
    Andere sprachvergleichende Werke zeigen, dass es in fast allen Sprachen fünf Vokale gibt, auch wenn es wenige Ausnahmen gibt, etwa die Aymara-Indianer am Amazonas, die nur drei haben. Auch nasale Konsonanten, wie »m« und »n« gibt es fast überall, außer bei den nordamerikanischen Wichita. In allen Sprachen findet sich bei den Phonemen der Kontrast zwischen Vokalen und Nichtvokalen sowie zwischen Stopps und Nichtstopps. Die Zahl der Phoneme ist nie weniger als 10 oder mehr als 70. Überall wird die erste und zweite Person mit Pronomen unterschieden. Ein Personalpronomen für die dritte Person ist dagegen nur fast universal. Dem Lateinischen beispielsweise fehlt es. Alle Sprachen unterscheiden zwischen Verben und Objekten. Alle trennen Prä- und Postpositionen.
    In allen Sprachen gibt es Bejahung und Verneinung und Warum-Fragen. Auch wenn das noch nicht viel darüber sagt, wie häufig sie verwendet werden. In allen Sprachen existieren Wörter für Gegenstände hoher Alltagsbedeutung, zum Beispiel für Gesicht und Hand. Überall gibt es Farbkategorien. Es existieren zwischen zwei und elf Begriffe für Grundfarben. In den wenigen Sprachen, wo es tatsächlich nur zwei Farbwörter gibt, sind es immer »schwarz« und »weiß«. Sie tauchen wohl nur deshalb nicht in Wierzbickas Liste auf, weil einige wenige Sprachen, zum Beispiel in manchen Kulturen Neuguineas, gar keine eindeutigen Farbwörter haben, sondern nur »warm-hell« und »kühl-dunkel« unterscheiden.
    Ein Vergleich von 100 Kulturen hat gezeigt, dass überall dieselben Primärfarben unterschieden werden, auch wenn sie nicht überall benannt werden. Die Zahl der Farbtermini nimmt mit der Komplexität von Wirtschaft und Technik zu. Die jeweils nächsten Begriffe lassen sich in einer weltweit einheitlichen Reihe angeben. Wenn eine Sprache neben schwarz und weiß nur noch ein weiteres Farbwort hat, ist es rot. Dann kommt grün oder gelb, dann blau und braun. Nur Sprachen, die alle diese Farben unterscheiden, kennen auch Wörter für orange, grau, rosa und purpur.
    Häufig verwendete Wörter sind in allen bekannten Sprachen kürzer als seltener gebrauchte. Das ist

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