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Heimat Mensch - Was uns alle verbindet

Titel: Heimat Mensch - Was uns alle verbindet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Antweiler
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sich immer gut, ob bei »Brot für die Welt«, in der Werbebroschüre zum schamanistischen Weltkongress in München oder im Pfarrblättchen in Trier. Besonders gut kommt es, wenn Kinder aller Hautfarben einen Kreis bilden und sich anfassen. Mosaik und Regenbogen werden zu den Leitmetaphern einer gut gemeinten Globalisierung. Angesichts der trennenden Farben ist das Mosaik eigentlich kontraproduktiv, aber bunt ist so sympathisch und wirksam. Kein Wunder, dass gerade international agierende Konzerne wie Sony solche Metaphern und Bilder gezielt einsetzen. Die flotten Diversity -Broschüren der großen Unternehmen und die Websites der weltoffenen Unis sind voll davon.
    Die Kritiker der Ausstellung haben in manchem recht; vieles ist aber auch überzogen. Vor allem unterschätzen sie die Kraft von Steichens Vision. Ich finde es viel aufschlussreicher, in Bildwelten wie dieser auf Entdeckungsreise zu gehen und mich inspirieren zu lassen. Welche Themen und Bilder sprechen alle Menschen an? Welche Einheit besteht tatsächlich in der unendlichen Vielfalt der Kulturen? Visuelle Medien gibt es heute weltweit. Aber welche Bilder machen Erfolg oder Scheitern globaler Werbefeldzüge aus? Zu diesen Fragen bietet die Ausstellung reichlich Stoff. Sie gibt weniger Antworten, als dass sie anregt, nachzudenken und Bilder zu schöpfen. Die visuelle Präsentation von Kulturen steht in einer Tradition, die in der Kunst mindestens bis zur Zeit der Entdeckungsreisen zurückreicht, was Massenmedien betrifft, bis ins 19. Jahrhundert. Heutige Projekte haben Vorläufer. Und Steichens Menschheitsprojekt ist ohne jeden Zweifel ein Meilenstein.
    Die ganze Welt an einem Ort
    Die Kombination von Bildung und Unterhaltung, wie sie das Life Magazine und Steichens Schau anstrebten, ist auch ein Dauerbrenner bei den legendären Weltausstellungen, die seit 1852 stattfinden. Auch sie wollen die Augen öffnen und gleichzeitig unterhalten. Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts waren sie in erster Linie Leistungsschauen technischer Produkte und Erfindungen. Zugleich dienten sie als Plattformen nationalistischer Präsentation und Konkurrenz. Diese Funktionen erfüllen sie teilweise noch heute. Die Weltausstellungen waren aber immer auch ein internationales Forum des gegenseitigen Lernens und ein Versuchsfeld für technische, organisatorische, erzieherische und darstellerische Innovationen.
    Die Expo2000 in Hannover beispielsweise zielte explizit darauf ab, dem Besucher gleichzeitig Erlebnisse und Erkenntnisse zu vermitteln, insbesondere durch interkulturelle Begegnungen nach dem Motto »Welten treffen aufeinander«. Die vierte Ausstellung dieser Art in Deutschland nach Berlin (1879, 1896) und München (1965) wollte unter der Überschrift »Mensch – Natur – Technik« zu globalem Lernen anregen und für nachhaltige Entwicklung werben. Dazu setzte man großzügig Unterhaltungsmedien wie Film, Bildprojektion und Musik, Folkloredarbietungen und Animationen ein. Sämtliche Register des avancierten Infotainments, wie wir sie aus Themen- und Erlebnisparks kennen, wurden gezogen.
    Attraktionen spielten auf den Weltausstellungen von Anfang an eine wichtige Rolle. Die Größen der Musikwelt traten auf. Musikstücke und Operetten wurden eigens komponiert. Zu bestaunen waren Zigeunerkapellen, Akrobaten und Werke der bildenden Kunst. Hinzu kamen Gaststätten, Verkaufsbuden, Aquarien und Achterbahnen. Ergänzt wurden diese Publikumsmagneten durch technische Sensationen wie den Eiffelturm. Walter Benjamin, der große Theoretiker der Bildmedien, sah die Weltausstellungen als »Phantasmagorien, in die der Mensch eintritt, um sich zerstreuen zu lassen«.
    Formen des Edutainment im engeren Sinn finden sich spätestens seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts, als im Rahmen der Weltausstellungen eigene Vergnügungsviertel konzipiert wurden, in denen kulturelle Zusammenhänge einem Massenpublikum in populärer Weise vermittelt werden sollten. Neben naturwissenschaftlichen Entdeckungen waren fremde Architekturen und exotische Kulturen die Hauptthemen. Eine Attraktion der Weltausstellung in Paris 1900 war das Bewegungspanorama »Reise mit der Transsibirischen Eisenbahn«, in dem man die Landschaft der gesamten Strecke zwischen Moskau und Peking vorgeführt bekam. Ein weiteres Highlight der Schau war der »Grand Globe Céleste«. In dieser Kugel von 60 Metern Durchmesser konnten die Besucher bei sphärischer Orgelmusik dem Lauf der Gestirne zuschauen. San Francisco bot dem

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