Heimat Mensch - Was uns alle verbindet
Traditionelle Häuser, Tänze und Hochzeitsriten sind gebilligt. Folklore wird gern gesehen, nicht zuletzt wegen des Tourismus. Politischer Eigenwille der Gruppen gilt als »ethnischer Egoismus«.
Die Regierung hat pragmatische Lösungen entwickelt, um der kulturellen Vielfalt Herr zu werden. Die Zahl der Kulturen wird einfach auf eine pro Provinz festgelegt. So reduzieren sich mit einem Federstrich mehrere Hundert Ethnien auf 26. Die Schüler, die um uns herumtummeln und sich eher mit ihrem Eis oder Kassettenrekorder befassen, kennen das alles schon aus dem Unterricht. Schulbücher stellen unter dem Titel »Die Kulturen der indonesischen Inselwelt« die Vielfalt des Landes auf knapp 30 Seiten dar: eine Seite pro Kultur. Die Auswahl wird jeweils durch ein Haus, eine Volkstracht, eine traditionelle Waffe und einen Liedtext dargestellt. Basta. Den Ethnologen stehen die Haare zu Berge. Luxusvarianten genehmigen sich eine Doppelseite pro Insel. Da werden eventuell noch zwei weitere Kulturen erwähnt.
In »meiner Provinz«, Süd-Sulawesi, die nur einen Teil der Insel einnimmt, leben tatsächlich etwa 50 Ethnien, wenn man in einen ethnologischen Atlas schaut. Laut Schulbuch gibt es aber nur eine Kultur in Süd-Sulawesi, die Toraja. Nicht zufällig ist es die Gruppe, die von Touristen gerne besucht wird. Im Park gehen wir natürlich ohne Umwege direkt zu unserer Insel, »nach Sulawesi« und wollen sehen, was dort zu sehen ist. Auf der Insel im Park steht einsam und trutzig ein Toraja-Haus. Ein Paradebeispiel für radikales Kulturmanagement!
Wie ist die Regierung auf diese Ideen gekommen? Suharto, der zweite Präsident Indonesiens, öffnete ab Ende der 1960er Jahre sein Land nach Westen, nachdem sein Vorgänger Sukarno eine blockfreie und oft antiwestliche Politik verfolgt hatte. Als bekennender Antikommunist war Suharto in Washington hochwillkommen. Die Präsidentengattin, Siti Hartinah, spielte eine wichtige Rolle im Land und war so beliebt, dass der Volksmund sie liebevoll »Mutter Tien« nannte. Ihre politischen Verpflichtungen hielten sie nicht davon ab, in amerikanischen Zeitschriften zu blättern. Sie interessierte sich sehr für westliche Mode. Im Life Magazine hatte sie wiederholt etwas über Disneyland gelesen. Während sich ihr Mann bemühte, die Beziehungen zwischen den beiden Ländern aufzubauen, flog die First Lady nach Florida und besuchte das Walt Disney World Resort bei Orlando. Die Bauarbeiten für diesen großen Vergnügungspark waren gerade abgeschlossen, 1971 wurde er eröffnet.
»Mutter Tien« war restlos begeistert. Besonders das Magic Kingdom mit seinen sieben Themenländern hatte es ihr angetan: »Main Street, USA«, »Fantasyland«, »Adventureland«, »Frontierland«, »Tomorrowland«, »Mickey’s Toontown Fair«, »Liberty Square« und das Aschenputtelschloss »Cinderella Castle«. Zurück in Jakarta, konnte sie ihren Mann überzeugen, und das Riesenprojekt Taman Mini wurde aus der Taufe gehoben. Schon im selben Jahr begann man mit dem Bau, 1975 wurde der Park eingeweiht. Nach und nach kamen ein Aquarium und ein Theater sowie ein gutes Dutzend Museen hinzu. Die Miniaturversion des großen Landes sollte die Menschen stolz machen auf ihre in jeder Hinsicht große Nation.
Die Welt als Themenpark
Inzwischen gibt es auch in anderen Landesteilen Indonesiens solche Anlagen. In Ujung Pandang hat vor einigen Jahren eine Art Gegenpark eröffnet: Taman Minatur Sulawesi Selatan . Die Vertreter der Hauptgruppen der Provinz, vor allem die Makassar und Bugis, waren alles andere als begeistert, dass nicht sie, sondern die Toraja im schönen Garten der Hauptstadt im Mittelpunkt stehen. Der neue Kulturpark präsentiert die wichtigsten Ethnien in Form ihrer Häuser. Hier sind die Toraja nur eine unter mehreren Kulturen. Gezeigt werden allerdings nicht gewöhnliche Behausungen, sondern palastartige Bauten, wie sie früher Adlige bewohnten. Egal, die Menschen in Süd-Sulawesi sind stolz. Ein Publikumsmagnet ist der Park jedoch nicht, die Leute gehen lieber am Strand spazieren. Ich statte ihm jedes Jahr einen Besuch ab – und bin immer fast allein mit ein paar zeltenden Pfadfindern, streunenden Hunden und scheuen Liebespärchen.
In anderen Ländern war das Disney-Modell des Taman Mini dagegen ein Exportschlager. Das Vorbild wurde abgewandelt und ausgeweitet und findet sich heute weltweit, vor allem in Asien. Wirklichkeit wird simuliert, und das ganz offen. Fast immer stehen sehr verschiedene Bauten als
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