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Heimat Mensch - Was uns alle verbindet

Titel: Heimat Mensch - Was uns alle verbindet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Antweiler
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verblüffende Kontraste direkt nebeneinander. Typisch ist auch, dass exotische Elemente bewusst eingebaut werden, um den Effekt zu steigern. Theoretiker sprechen von einer »Disneyfizierung« der Kultur. Darüber kann man die Nase rümpfen, aber es trifft den Nerv der Zeit. Der flotte Ethno-Park steht gegen das muffige Völkerkundemuseum, der unterhaltsame Konsum von Exotik gegen pingelige Belehrung. Das trifft auch Ethnologiemuseen in Deutschland.
    In Asien habe ich solche Parks in Thailand, Malaysia, Singapur und Vietnam besucht. Sie finden bei Einheimischen wie Touristen gleichermaßen Anklang. Allein in Südchina gibt es über 30 Kulturparks. Selbst in Laos, einem Land, wo der Tourismus noch in den Kinderschuhen steckt, habe ich eine solche Anlage nahe der Hauptstadt Vientiane entdeckt, eigentümlicherweise als Kombination von Kultur- und Tierpark. Die Kombination erinnert mich daran, dass »Völkerschauen« früher oft in Zoos gezeigt wurden. Als ich mir dort die traditionellen Stelzenhäuser der laotischen Bergvölker in Holzbauweise genauer ansehe, stelle ich fest, dass sie aus Beton nachgebaut sind. Wenigstens die Tiere in den Käfigen drum herum sind echt.
    Kulturpäpste tun solche Promenadenmischungen von Kultur von oben herab als flaches Zeug ab. Kulturtheoretiker wiederum ergehen sich in geistreichen Betrachtungen darüber, dass die Unterscheidung zwischen Original und Kopie ja ohnehin »überwunden« sei. Mich interessiert eher der konkrete Umgang mit diesen Gebilden. Für die Menschen vor Ort gehören die neuen Nachbildungen der Tradition mittlerweile ebenso zur Kultur wie ihre hergebrachte Lebensweise. Die weltweite Popkultur vermischt Globales und Fremdes mit Lokalem und Eigenem. Das ist überall tief in die soziale Wirklichkeit eingedrungen. In Ujung Pandang hängen selbst in den Häusern vieler anderer Ethnien die kleinen Hausmodelle und Figürchen der Toraja, die eigentlich als Andenken für Touristen produziert werden.
    Der Orient schlägt zurück
    Eine neue Generation von Themenparks ergänzt traditionelle Häuser einheimischer Kulturen durch Nachbildungen berühmter Bauwerke aus aller Welt. Nach dem Motto: Schloss Neuschwanstein neben der Holzhütte, der Eiffelturm unter Palmen, das Empire State Building am Äquator. Der Ethno-Park wird beherzt mit der Themenarchitektur von Las Vegas kombiniert, wo der Petersdom gleich neben der Cheopspyramide aufragt. Meinem persönlichen Geschmack und fachlichen Anspruch entspricht das ganz und gar nicht. Kultur wird in konsumierbare Häppchen zerlegt, ohne jeden Tiefgang und Zusammenhang. Als Teil der sozialen Wirklichkeit von Menschen in aller Welt sind diese Mischprodukte des Kulturkonsums aus ethnologischer Sicht aber hochinteressant.
    Bei diesen neuen Typen von Themenparks marschiert Asien voran. Den Höhepunkt bilden die Kultur- und Themenparks in Südchina und Japan. Der Park Huis ten Bosch in Japan ist nach dem Sitz der holländischen Königin Beatrix, einem Lustschloss nordöstlich von Den Haag, benannt. Im Park ist ein Teil der Altstadt des holländischen Delft nachgebaut. Nicht etwa verkleinert, sondern im Maßstab 1:1! Ein anderer japanischer Park heißt Glücks Königreich . Hier können Japaner eine Führung durch die Nachbildung eines deutschen Schlosses machen, ebenfalls in Originalgröße. Preisbewusste und zeitlich pressierte Japaner sparen sich auf diese Weise den langen Flug und sehr viele Yen. In einem anderen japanischen Themenpark werden deutsche Bratwürste in einer deutschen Metzgerei angeboten, ganzjährig und zubereitet von echten deutschen Fleischern. Guten Appetit!
    Der postmoderne Kulturmix ist endgültig im Fernen Osten angekommen. Über Jahrhunderte wurde der Orient auf böse Herrscher, betrügerische Händler und gefügige Frauen reduziert. Jetzt schlägt der Orient zurück. Ich bin mit einigen Studenten aus Trier für einige Wochen in Indien, wo wir ethnologische Methoden üben: kartieren, interviewen, mit Dolmetschern arbeiten und vor allem beobachten und zuhören. Wir sind in Chennai, dem ehemaligen Madras in Südindien. Eine Stadt, die in Deutschland keiner kennt, die aber gut hundertmal so groß ist wie Trier. Bei unserem Besuch im städtischen Museum entdeckt eine Studentin eine kleine Abteilung für Kinder. Unter einer Plexiglaskuppel sehen wir eine bunte Ansammlung von Playmobil-Figuren, die die Nationen der Welt repräsentieren sollen. Für Deutschland steht ein Püppchen im bayrischen

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