Heimaturlaub
Augen.
So lag er, bis der Abend hereinbrach. Kriegsberichter von Stohr, der ihn einmal ansprach, erhielt keine Antwort.
Als schwere Schatten dann die Felsen ganz in Schwarz hüllten und die Schlucht fast undurchdringlich wurde, meldete sich MG-Schütze 1 bei dem Oberleutnant. Er war noch immer wütend darüber, daß er die ehrlich gewonnene Zigarette nicht hatte rauchen dürfen. Ja, ja, die Herren Offiziere – sie gönnen einem Landser aber auch gar nichts.
Wüllner trat aus seinem Zelt, sah an dem Soldaten vorbei und sagte nur:
»Sie beziehen strafweise die Schanze drei. – Gehen Sie!«
Schütze 1 fluchte in allen Tonarten. Beim Satan, das war eine Schinderei. Schanze drei lag am weitesten draußen. Eine halbe Stunde mußte man gehen, über Felsblöcke und über Wildbäche, und das bei dieser Dunkelheit! Und dann noch allein! Der Teufel hole den ganzen Militärkram. Und die Offiziere zuerst! Weil sie hier in den Felsen keine Huren finden, müssen sie uns knüppeln! Knurrend trollte er sich davon.
Was in dieser Nacht geschah, wurde nie geklärt. Am nächsten Tag wurde lediglich gemeldet, daß der MG-Schütze 1 nicht mehr in der befohlenen Stellung angetroffen worden sei und somit als vermißt gelte. Wüllner nahm die Meldung mit starrem Gesicht entgegen. Nichts zeigte, welch einen Kampf er im Innern führte.
Auch Kriegsberichter Wilhelm von Stohr hatte in Petrowna ein Erlebnis, an das er in späteren Zeiten niemals erinnert werden wollte.
Es war am letzten Tag der Ruhe, als Stohr ein Fußbad im Staubecken nahm und dabei die Felsen vor sich in einen Zeichenblock skizzierte. Da die Sonne gerade einen Schattenwurf hatte, beeilte er sich, das Bild schnell zu vollenden.
Flink flog sein Zeichenstift über das Papier, und er war in seine Arbeit so vertieft, daß er nicht bemerkte, wie ein junges Balkanmädchen hinter ihm stand und voll Interesse über seine Schulter auf die Zeichnung sah.
Erst als sie sich an seiner Seite auf die Steine niederließ und die Beine im Wasser schlenkerte, wurde er aufmerksam und blickte in zwei schwarze feurige Augen.
Kriegsberichter Wilhelm von Stohr, der die ganze Welt bereist hatte, den so leicht nichts aus der Ruhe bringen konnte, zumal er als Bildsonderberichter in den tollsten Situationen geschwebt hatte, wurde es beim Anblick dieser Augen doch ziemlich warm ums Herz. Immerhin war man schon zwei Monate von Berlin weg, hatte all die Kriegsjahre asketisch gelebt und nur hier und da einen kleinen Flirt angefangen, vor allem in Paris und in der Champagne. Hier auf dem Balkan hatte man bisher nur Felsen und Wildwasser, Kadaver und Dornen gesehen.
Nun saß dieses Mädchen an seiner Seite. Sein Künstlerauge, als Maler wie als Filmmann besonders empfänglich für Schönheit, verfing sich an dem süßen Oval des Gesichts mit der braunen Haut, den schwarzen Locken, dem schlanken Hals und der runden Schulter, die in eine hohe, geradezu ideal geformte Brust überging. Der schlanke Leib, die gewölbten Oberschenkel, die der kurze Rock kaum verdeckte, die festen Waden und Fesseln – alles war an diesem Naturkind Rasse und Glut. Während die junge Frau still sein Bild betrachtete, lockten ihre vollen, roten Lippen.
Stohr konnte nicht mehr sitzen. Er erhob sich und nahm den Zeichenblock an sich. Da er kein Wort der Landessprache kannte, versuchte er es auf deutsch:
»Bist du hier aus der Gegend?«
»Ja, aus Petrowna.«
Die Kleine konnte Deutsch! Das war ja besser, als er erhofft hatte.
»Woher kannst du Deutsch?« fragte er sie.
»Ich war bei deutsche Kaufmann in Stellung für Putzen. In Split.« Sie lächelte verführerisch.
Stohr, der sich vorstellte, wie dieses Mädchen in einem tollen Abendkleid wirken müßte, konnte ihrem Reiz nicht widerstehen. Er nahm die Kleine in den Arm und knallte ihr einen herzhaften Kuß auf die Lippen. Dann ließ er sie los und wartete, wie sie sich dazu stellen würde.
Dem Mädchen schien dieser Kuß außerordentlich gefallen zu haben. Sie lachte ihn mit ihren blitzenden Zähnen an und meinte nur:
»Warum nur einen?«
Das ließ sich der Kriegsberichter nicht zweimal sagen. Er nahm die Kleine um die Hüfte und wollte mit ihr in eine stillere Gegend wandern, da erschien um die Ecke der Generalleutnant Beyering.
Stohr nahm stramme Haltung an, das Balkanmädchen wurde rot und lief davon. General Beyering aber verfärbte sich und stürmte auf den Kriegsberichter zu.
»Wer sind Sie?« brüllte er und fuchtelte mit einer Reitgerte vor seiner Nase
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