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Heimaturlaub

Heimaturlaub

Titel: Heimaturlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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auch.«
    »Wer ist Oma Bunitz?«
    »Meine Wirtin. Eine prächtige Frau. Sie wird traurig sein, wenn ich sie verlasse … Aber auf jeden Fall behalte ich meine Atelierwohnung. Wenn ich von der Universität komme oder eine Vorlesung überspringen muß, wäre es zu umständlich und zeitraubend, mit der S-Bahn bis hierher nach Dahlem zu fahren – und da ist es dann gut, wenn ich noch eine zweite Bleibe habe.«
    »Kannst du diese Oma Bunitz nicht einmal zu mir einladen? Oder besser zu dir, wenn du hier wohnst. Ich möchte sie gern kennenlernen. Wie wäre es mit nächsten Sonntag nachmittag zum Kaffee?«
    Da mußte Hilde an ihren gedeckten Tisch denken, an die weißen Narzissen und das Warten auf ihn, auf ihr Schnöselchen.
    Sie wurde wieder sehr traurig und sah zu Boden.
    »Wo mag er jetzt wohl mit seinem Zug sein?«
    »Heinz? Der ist nicht mit dem Zug gefahren!«
    »Nicht mit dem Zug?«
    »Nein, ab Tempelhof mit dem Flugzeug bis Belgrad, dann mit einem Wagen zur Front auf dem Balkan. Er wird in diesem Augenblick über Wien schweben.« Frau Lancke machte ganz sehnsüchtige Augen. »Das möchte ich auch einmal – fliegen … richtig fliegen, so über Städte und Dörfer schweben, die Welt unter mir, und, bei Gott, ich würde das tun, was ich schon als Mädchen tun wollte, als das Fliegen noch ein Hirngespinst war: Ich würde den Menschen auf den Kopf spucken …«

6
    Umrahmt von schroffen Felsen, von denen Wildwasser rauschen und Steinlawinen ins Tal donnern, liegt das kleine Dorf Petrowna, eine jener Siedlungen armer jugoslawischer Bergbauern, die hier auf wenigen kargen Almen und Vorsprüngen der Natur die anspruchslose Nahrung abringen. An die Felswände gedrückt, möglichst in Mulden mit Vorsprüngen gelegen, um gegen den Steinschlag geschützt zu sein, wachsen die Lehm- und Steinhäuschen aus dem Felsgestein, grau, unansehnlich, eng und muffig. Die rauschenden Wildbäche liefern das Wasser, einige schwarze Bergziegen die Milch, den Käse und die Butter, die im Sommer, wenn die Steinwände glühen und die Luft vor Hitze flimmert, zu Öl zerläuft und ranzig wird. Überhaupt ist das Leben dieser jugoslawischen Bauern in den Dinarischen Alpen so genügsam, daß sie sich wundern würden, wenn sich einmal ein Mensch in diese rauhe Gegend verirrte, der behauptete, es gäbe noch etwas anderes als Felsen, Wildwasser, Ziegen und härteste Arbeit.
    In diesen Dezembertagen des Jahres 1943 aber hatte sich das Gesicht des Dorfes von Grund auf verändert. Statt der Bauern zogen deutsche Soldaten durch die Schluchten. Die Häuser waren geschmückt mit trocknenden Unterhosen und Hemden, und einige Deutsche saßen vor der Tür und suchten in den Falten ihrer Unterwäsche nach Läusen und Flöhen. Wo aber sonst nur der Wildbach in das kleine Staubecken brauste, da stand jetzt ein hoher Mast, von dem aus eine Menge Drähte in die Berge und zu dem Gehöft des Dorfschulzen führten. Ein großes Zelt mit der Fahne des Roten Kreuzes stand am Dorfausgang, davor ein Schild: Hauptverbandsplatz. Und zwischen dem Rattern der Sanitätswagen und der Meldefahrzeuge tönte das leise Jammern und Stöhnen der Verwundeten in die an Stille gewöhnte Landschaft.
    Petrowna war zur Befehlsstelle der ›Fliegenden Division‹ geworden. Generalleutnant Beyering, der mit seinem Stab dieses Dorf erwählt hatte, schien an der Verträumtheit der Landschaft Gefallen gefunden zu haben, auch wenn darunter die Sicherheit litt, da die Front keine sieben Kilometer von der Befehlsstelle entfernt lag, und man aus der Ferne deutlich die Abschüsse und Einschläge der Artillerie, das Hämmern der MGs und das helle Bellen der Granatwerfer hörte. Ab und zu schlug ein schwerer Brocken ganz in der Nähe ein – doch General Beyering lächelte nur und meinte, Krieg sei eben unangenehm, und daß dabei geschossen werde, sei selbstverständlich. Die Verwundeten zählte er nicht. Da er, ein großer Anhänger des Schwimmsportes, bei jeder Witterung im Staubecken badete, sah er nicht die Mängel seiner Stellung, sondern nur seinen persönlichen Nutzen. Außerdem hatte er im Dorf ein süßes jugoslawisches Mädchen gefunden, das vor einigen Jahren in Split bei einer deutschen Kaufmannsfamilie in Stellung gewesen war. Wenn dieses Mädchen auch schlechter Deutsch sprach, als es zu ertragen war, so hatte er sie doch als Dolmetscherin eingestellt, wohl damit rechnend, daß sie etwas anderes bestimmt besser beherrschte.
    Er hatte richtig gerechnet und war nun aus dem Dorf Petrowna

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