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Heimaturlaub

Heimaturlaub

Titel: Heimaturlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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es kann … und will … und darf …!
    Wie es hier aussieht, wie ich lebe, das alles ist so nichtig vor unserer Liebe, die alles leichter ertragen läßt. Sei auch Du stark und ruhig, denn so sehr ein Schicksal uns schlagen kann … Einst kommt die Zeit, wo die Ruhe uns das lohnt, was der Unfriede uns ertragen hieß.
    Von draußen meldet man, ein feindlicher Spähtrupp nähere sich meiner Stellung. Ich muß zu meinen Leuten. Leb wohl, meine Geliebte, und blicke in die Sterne, so wie man es in Märchen- und Kinderbüchern liest … unsere Augen werden sich treffen in der Reinheit des Himmels, und unsere Liebe wird blühen unter dem Segen Gottes.
    Dein Schnöselchen
    PS.: Willst du meine Stimme hören, so schalte jeden Abend um 19 Uhr das Radio ein – ab und zu kommt ein Bericht von mir. Hier ist es still, darum spreche ich seltener. H.
    Wüllner überlas noch einmal seine Zeilen. Er war zufrieden, auch wenn er am Ende gelogen hatte … es näherte sich kein Spähtrupp, sondern er fühlte, daß er so nicht mehr weiterschreiben konnte, ohne in die Ironie zu verfallen – und das hatte Hilde nicht verdient.
    Draußen rauschte der Wind um die Felsen, in der Ferne brauste der Gebirgsbach, von den feindlichen Linien hörte man Gesang, leise nur und wie unter einem Schleier, eine schwermütige Melodie der jugoslawischen Heimat, langgezogen und eintönig wie die grauen Blöcke der Berge, und doch schnitt sie ins Herz mit ihrer Sehnsucht nach Glück und freiem Leben. Dort lebten Menschen, die arbeiten und glücklich sein wollten wie wir. Warum ließ man ihnen nicht den Frieden? Warum durften sie nicht ihre Almen bebauen? Nicht ihre Ziegen hüten? Oh, wer weiß eine Antwort darauf?
    Lauter pfiff der Wind draußen, die Zeltpflöcke ächzten, das Leinen knatterte und jaulte. Die Schritte der Posten klangen durch die Schlucht, ihre Nagelschuhe klapperten eintönig den Rhythmus: Klipp … klapp … klipp … klapp … stundenlang, stumpf, geduldig … immer klipp, klapp, klipp, klapp …
    Drinnen im Zelt saß ein Mann, der einen Brief küßte und ihn dann verschloß. Mit großen Buchstaben malte er die Adresse: Hilde Brandes, Berlin-W.
    Und fern, ganz fern waren die Gedanken.

7
    Das Leben in der Reichshauptstadt Berlin ging seinen gewohnten Gang. Und das hieß: Luftangriffe im rollenden Einsatz. Unerbittlich schlug die Faust des Krieges in das Herz der Stadt, und die Menschen verloren den Glanz des Blickes und den Mut zum Lächeln.
    Doch die Zeitungen schrien weiter die Lüge vom kommenden Sieg in die Welt. Eine Lüge, die zu den Lächerlichkeiten der Weltgeschichte gehörte.
    Dieses ganze Leben ertrug Hilde ruhig und mit der mutigen Zuversicht ihrer dreiundzwanzig Jahre. Unentwegt, trotz Angriff und schlafloser Nächte, ging sie ihrem Studium nach, saß in den Hörsälen, büffelte in den Repetitorien, wälzte Bücher über Bücher und versenkte den Kummer ihrer Seele, die Hoffnung ihrer Liebe und die Angst vor der ungewissen Zukunft in die Buchstaben von Schillers Ästhetik oder Herders Weltenlehre.
    Wenn die Freunde sie fragten: »Hast du Nachricht von Heinz?«, dann schüttelte sie nur den Kopf und meinte, als müsse sie den fernen Geliebten verteidigen vor dem vorwurfsvollen Blick der Frager: »Er lebt, ich weiß es, ich fühle es – und das ist mir genug. Er braucht nicht zu schreiben. Wenn er an mich denkt, so ist es mir, als höre ich im Inneren seine Stimme …«
    Wenn ihr auch heimlich die Tränen kamen und sie in Wüllners Arbeitszimmer seinen Schreibtisch streichelte und die wenigen Schriftzeichen, die sie fand, mit den Lippen berührte, so daß das Papier sich kräuselte von den vielen heimlichen Küssen – eine Stimme in ihr sagte ihr, daß sie stark und gläubig sein müsse. Wie sollte man ein Leben im Krieg auch anders ertragen?
    Zu Weihnachten dieses Jahres geschah es, daß Oma Bunitz, Hildes Wohnungswirtin, sich ihr Schwarzseidenes anzog, einen selbstgebackenen Kuchen in ein Packpapier rollte, sich eine Karte der S-Bahn löste und einer Einladung folgte, die Frau Lancke ihr zugesandt hatte: Sie möge doch die Feiertage bei Hilde und ihr verleben.
    Es war das erste Mal, daß sich Hildes zweite und dritte Mutter – wie sie die beiden nannte – persönlich sahen, auch wenn sie schon aus Hildes Erzählungen voneinander wußten und sich ein deutliches Bild hatten zusammensetzen können.
    Frau Lancke fand Oma Bunitz ausgesprochen sympathisch; eine Frau, die das Leben meisterte, und auch Oma Bunitz war von Frau

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