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Heimaturlaub

Heimaturlaub

Titel: Heimaturlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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haben nach dem Krieg noch manches zu regeln und nachzuholen, noch manchen die Wahrheit zu lehren und das Gewissen zu stärken. Es gibt kein Halten für uns, nur ein Vorwärts. Und hebe deine Wut für eine andere Zeit auf. Denke immer daran: Unsere Zeit ist noch nicht gekommen, aber sie dämmert bereits heran.«
    Stohr blickte seinen Freund an.
    »Ich glaube nicht, daß ich wiederkomme. Bei diesem Kommando werde ich verschollen und verkommen sein, wenn der Frieden da ist – oder das Ende … Sieg wollen wir nicht sagen, denn es wäre ein Witz!«
    »Keine Todesahnungen, lieber Freund«, meinte Wüllner und drohte mit dem Finger, »sonst werfe ich dich aus meinem Loch. Wir wollen doch noch zusammen die neue Zeit erleben, das wirkliche Erwachen Deutschlands! Und nun ziehe mit Gott, mein Junge. Wenn du mal eine schwere Minute hast, so denke an ein Wort, das so alt ist wie die Menschheit: Trotzdem!«
    Kriegsberichter Wilhelm von Stohr lächelte seinem Freund noch einmal zu. Zwei Männer, die im gemeinsamen Erlebnis des Schreckens hart und groß geworden waren, drückten sich die Hand wie zwei Brüder. Dann war der Freund in der Dunkelheit verschwunden und ließ in Wüllners Herzen eine dumpfe Leere, eine ohnmächtige Wut zurück, die nur von einem Gedanken verdrängt wurde: dem Gedanken an die Geliebte in Berlin.
    In dieser Nacht schrieb er einen Brief an Hilde.
    Es war nach über zwei Monaten der erste Brief, hingekritzelt bei einem flackernden Kerzenstumpf. Auf dem Steinboden eines Zeltes in einer Felsspalte.
    Da saß er, der Kriegsberichter Heinz Wüllner. Über seine sonst so harten Züge zog ein feines, verschmitztes Lächeln, ein wenig Sonnenschein von innen her. Er durfte ihr doch nicht zeigen, wie sehr er litt; er durfte ihr ja nicht schreiben, wie er hier lebte. Sie würde dann nur weinen, sie würde schaudern und zweifeln … und so mußte er wieder das Schnöselchen sein, das sie liebte, der Lümmel und freche Bengel.
    Was sollte er um Himmels willen schreiben? Daß es ihm gutgeht? Daß er bald heimkommt, daß der Krieg hoffentlich bald am Ende ist? Es war alles so leer. Nur Phrasen. Doch was konnte er anderes schreiben? Selbst wenn man die Wahrheit sagen wollte – sie kam nicht an beim Empfänger, weil der Riegel der Briefzensur eingeschoben war. So mußte er ein Bajazzo sein, mußte lächeln und singen, tändeln und flirten, tanzen und purzeln, auch wenn das Herz blutete.
    Langsam fügte sich Zeile an Zeile, Satz an Satz:
    Meine geliebte Frau! Ich schreibe Dir so, als sei ich gestern erst abgereist, nicht, als seien nun schon zwei Monate vorbei, die wir getrennt wurden. Ich entschuldige mich auch gar nicht, daß ich erst heute schreibe, denn wer die Front kennt und weiß, wie ich bin, der wird verstehen, daß die Tage mit Kampf und die Nächte mit Wachen vergingen, und der wenige Raum der Freiheit nur für den Körper blieb, damit er schlafen und sich stärken konnte.
    Heute endlich darf ich in einem Zelt in den balkanischen Felsen sitzen, zu Füßen einer Schlucht, wo jede Minute der Feind erwartet wird. Trotz allem will ich jetzt meinem Frauchen sagen, daß ich immer bei ihr bin, daß mich ihr Bild auf allen Wegen begleitet, und daß meine Schweigsamkeit kein Vergessen, sondern die Versenkung meiner Liebe in die tiefste Seele ist.
    Um mich ist jetzt schwärzeste Nacht. Eine Nacht, wie man sie in Deutschland nicht kennt. Doch es ist, als atmen diese Felsen, werfen hauchend den Glutatem des Tages zurück und flüstern untereinander von vergangenen Jahrmillionen. Ich schließe mich ihnen an, flüstere mit ihnen von meiner Liebe und erzähle ihnen, den ergrauten Weisen der Erde, von der Sehnsucht meines Herzens nach Deinen Lippen, nach Deinem duftenden goldenen Haar. Da wispert der Wind, da singen die Steine, da ächzen die Kiefern und säuseln die Büsche: Du bist verliebt … rettungslos verliebt … Du dummes, dummes Schnöselchen … Ach, mein Frauchen, wann kehre ich zurück? Wann wird dieser Krieg sein Ende finden?
    Heute ist mein Freund von Stohr zur U-Boot-Waffe abkommandiert worden. Ich bin nun allein in der Ferne, nur Dein Bild im Herzen und Dein Versprechen, zu warten, zu glauben und stark zu sein. Und siehe – das wollen wir … immer füreinander dasein, immer die Seele dem anderen in der Ferne schenken und beten für sein Glück, ich für Deins, die Du die Luftangriffe ertragen mußt und die Hungersnot, Du für mich, der ich hier in vorderster Linie liege und meine Pflicht erfülle, so gut ich

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