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Heimaturlaub

Heimaturlaub

Titel: Heimaturlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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herum. »Wie heißen Sie?!«
    »Kriegsberichter Leutnant Wilhelm von Stohr, Herr General.«
    »Aha. Immer die Propaganda! Sie melden sich heute abend bei mir, verstanden?!«
    »Jawohl!«
    »Um einundzwanzig Uhr!«
    »Jawohl. Aber darf ich Herrn General fragen, warum ich …«
    »Halten Sie den Mund!« brüllte Beyering und wurde leichenblaß vor Wut. »Ich werde es Ihnen austreiben, mit Balkanmädchen zu schäkern …«
    Er stürmte weiter in sein Quartier.
    Stohr sah ihm kopfschüttelnd nach. Was mochte der Alte haben? Was kümmerte es ihn, ob er einem Mädchen einen Kuß gab oder nicht? Ob es hier verboten war, lustig zu sein, weil den Herrn General der Kragenknopf drückte?
    Er dachte noch über den Fall nach, als sich ihm einige Offiziere näherten, die den Vorfall aus der Ferne beobachtet hatten.
    »Na, Herr Kamerad, übelgenommen, dieser Kuß?« fragte der eine, ein junger Pionierleutnant. »Der Alte hat schön getobt!«
    »Ich würde mich vorsehen«, meinte der nächste, ein Hauptmann der Fallschirmjäger. »Der Alte hat es nicht gern, wenn man seiner Dolmetscherin, die er Tag und Nacht braucht – bedenken Sie: auch des Nachts! –, einen anderen Geschmack angewöhnt als den seinen.«
    Wilhelm von Stohr riß die Augen auf.
    »Die Kleine war …«
    »Die Gelegenheitshure des Alten«, lachte der junge Leutnant und bog sich vor Vergnügen. »Und die Propaganda rutscht natürlich wieder hinein!«
    »Aber nichts für ungut … bis heute abend um einundzwanzig Uhr ist noch eine lange Zeit … Kommen Sie mit, einen Schnaps trinken.«
    Stohr schloß sich den Offizieren an, die in ihr Kasino gingen, ein Landhaus, das sie recht und schlecht zu einem feudalen Saufhaus gemacht hatten. Auf dem Wege trafen sie Wüllner, dem sie den Vorfall brühwarm erzählten.
    »Willi, ich kenne diese hohen Herren im zweiten Frühling. Die Burschen sind gefährlich. Ich würde mich vorsehen.«
    So bereitete sich Stohr auf einen heißen Tagesabschluß vor. Als es 21 Uhr wurde und er schon die zweite Flasche Schnaps allein getrunken hatte, drehte sich die Stube in einem Wirbel vor seinen Augen. Aber als Offizier kannte er keine Hemmungen, schnallte um und wankte zum General.
    Dieser saß in seinem Lehnstuhl, kaute an seinem Schnurrbart und hatte anscheinend nur auf den Kriegsberichter gewartet. Er war besonders wütend, denn seine Dolmetscherin hatte es vorgezogen, nach dieser Affäre in den Felsen zu verschwinden. Zwar war eine Streife unterwegs, aber Beyering erhoffte sich nicht viel von ihr. So ein Naturkind kennt ja alle Winkel seiner Heimat.
    Wilhelm von Stohr trat ein, grüßte stramm und wartete.
    General Beyering musterte ihn von oben bis unten und brüllte dann:
    »Ihr Koppel sitzt einen Zentimeter zu tief!«
    Aber da kam er böse an. Dieser Kasernendrill an der Front war für Stohr wie ein Skorpionstich.
    Er sagte deshalb auch nur:
    »Ich habe eine lange Taille, Herr General!«
    »Schlampig sind Sie!«
    »Bei Herrn General fehlt der linke Brusttaschenknopf«, war die kühne Antwort. Ohne den Schnaps hätte er sie wohl kaum gesagt.
    Dem General verschlug es die Stimme. Er starrte den Kriegsberichter an und holte dann zweimal tief Luft.
    »Sie Aufwiegler!« brüllte er. »Ich lasse Sie auf der Stelle abführen!«
    Ganz ruhig kam die Entgegnung: »Bitte, bedienen Sie sich!«
    Diese Kaltblütigkeit schien selbst Beyering neu zu sein. Er wurde stiller und fragte herrisch:
    »Sie sind Propagandamann?«
    »Erster Kameramann und Bildberichter des Reichspropagandaministeriums.«
    »Sie kennen auch Dr. Goebbels?«
    »Wir duzen uns!«
    »Hm. Sie duzen sich. – Gewinnen wir den Krieg?«
    »Das dürften Herr General besser wissen als ich.«
    »Wir gewinnen ihn!«
    »Wie Herr General meinen!«
    »Der Ton, in dem Sie das sagen, gefällt mir nicht. Sie können abtreten!«
    Stohr grüßte, drehte sich um und ging hinaus. Hinter sich hörte er Beyering knirschen, und er verstand nur die wenigen Worte, die ihm alles sagten:
    »… das werden Sie mir büßen müssen …«
    Drei Tage später erhielt der Kriegsberichter den Befehl, seine Sachen zu packen und sich zur Versetzung zu melden. Es sei ein ehrenvoller Auftrag, der schwer sei, sich aber lohne: Er solle eine U-Boot-Fernfahrt filmen.
    In Wirklichkeit war es ein Todeskommando.
    Stohr drückte Wüllner noch einmal die Hand, als er sich im Schützenloch von ihm verabschiedete.
    »Mach's gut, Willi«, sagte Wüllner und sah dem Freund fest in die Augen. »Du mußt wiederkommen, hörst du – wir

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