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Heimkehr

Heimkehr

Titel: Heimkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Bach
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stolz auf ihn.
    Er blieb stehen und sah mich an. »Was habe ich erfaßt?«
    » Wer sind meine Freunde? Das ist endlich eine Frage ohne Verfallsdatum! Das nächste Mal, wenn du dich mit einem Dutzend verlorener Schafe umgibst, die deine Sportjacke und deinen Haarschnitt und deine supercoole Sonnenbrille bewundern, solltest du dich fragen: Wer sind meine Freunde, meine wirklichen Freunde? Wo sind die anderen, die von den Sternen kamen? Und was für ein Freund bin ich mir selbst, wenn ich mich nur anpasse und mit irgendwelchen Kumpeln bei erstbester Gelegenheit ein Glas Whisky nach dem anderen herunterkippe?«
    Dickie machte eine beschwichtigende Geste. »Richard, ich bin doch noch ein Kind…«
    »Egal«, brummte ich, während wir unseren Aufstieg fortsetzten. »Das ist doch ein Beispiel. Erinnere dich, wer du bist, und handle danach. Wieso gibt sich ein Wesen von den Sternen mit Dingen ab, die einen Dreck wert sind?«
    Er lächelte mich an. »Würde es dich so aus dem Häuschen bringen, wenn ich zum Trinker würde?«
    Ich sah ihn erschrocken an. »Dickie?«
    »Sagen wir, ich erweise mich als ein zigarettenqualmender, pillenschluckender, fahnenschwingender, auf die Bibel pochender Macho, Partylöwe, Schürzenjäger und Trunkenbold. Würde dich das beunruhigen?«
    »Wenn du dich für sowas entscheidest, Kapitän, werden nur wenige Frauen etwas von dir wissen wollen. Du kannst also den Schürzenjäger streichen.«
    »Nehmen wir mal an, ich hätte mich dazu entschlossen«, erwiderte er. »Was würdest du denken?«
    Einen Moment lang war ich aus der Fassung gebracht. War ich verärgert? Zorn ist immer Furcht, dachte ich, man fürchtet sich vor einem Verlust. Würde ich mich selbst verlieren, wenn er sich so entschied? Ich brauchte eine Sekunde, um mich zu beruhigen: Ich würde nichts verlieren. Es wären seine Wünsche, und es steht ihm frei, so zu leben, wie er möchte. Ich verlöre ihn, wenn ich es wagte, ihn zu zwingen, wenn ich versuchte, sowohl für ihn als auch für mich zu leben. Das wäre eine Katastrophe, die schlimmer wäre als ein Leben auf dem Barhocker.
    Dieser Augenblick und dieser Gedanke genügten: Mein Ärger verflog, und ich entspannte mich wieder.
    »Die einzigen Qualitäten, die dir abgehen«, sagte ich streng, »sind Urteilsvermögen und Selbstbeherrschung. Ich besitze sie und du eben nicht. Ansonsten bin ich der Meinung, daß du gleichwohl ein Recht darauf hast zu leben, wie du möchtest.«
    »Du würdest nicht schlecht über mich denken?«
    »Ich kann doch nicht über etwas enttäuscht sein, was ich nicht unter Kontrolle habe«, erwiderte ich. »Paß auf, Dickie. Übertrage mir die Verantwortung für dein Leben, befolge meine Anordnungen peinlich genau, denke und sage und tue nichts, was ich dir nicht sage. Dann bin ich für alles verantwortlich.«
    »Ich werde nicht mehr Kapitän sein?«
    »Nein«, entgegnete ich. »Ich übernehme das Kommando.«
    »Ist der Erfolg garantiert?«
    »Es gibt keine Garantien. Aber sollte ich dein Leben ruinieren, verspreche ich dir, daß es mir leid tun wird.«
    Er blieb stehen. »Was? Du übernimmst das Kommando? Du triffst die Entscheidungen für mich? Ich befolge alle deine Anordnungen, und wenn du mein Schiff auf Grund setzt, versprichst du mir, daß es dir leid tun wird? Wenn mein Leben auf dem Spiel steht, dann will ich selbst das Ruder in die Hand nehmen. Vielen Dank!«
    Ich lächelte ihm zu. »Langsam dämmert es dir, Kapitän.«
    Als wir den Gipfel des Berges erreicht hatten, machte er an einer einfachen Bank halt. Ich konnte verstehen, warum er diese Stelle zum Ausruhen bevorzugte. Hier war er dem Traum vom Fliegen am nächsten.
    »Eine schöne Aussicht«, sagte ich. »Ist es Frühling in deinem Land?«
    Er lächelte scheu. »Das Frühjahr kommt langsam.«
    Warum sage ich es ihm nicht direkt? dachte ich. Warum sage ich ihm nicht einfach, daß ich ihn liebe und ich sein Freund sein werde, solange ich lebe?
    »Ich schätze, ein wenig Regen tut not«, bemerkte ich.
    »Ein wenig«, nickte er. Er schaute in die Ferne, als ob er all seinen Mut zusammennehmen müßte. Dann wendete er sich mir zu: »Dein Land braucht auch Regen, Richard.«
    »Kann sein.« Was meinte er damit? Es ist mir ein Vergnügen, ihm all das zu vermitteln, was ich gelernt habe, dachte ich, und zwar ohne eine Gegenleistung.
    »Ich bin mir nicht sicher, was das für dich bedeutet«, sagte er, »aber wahrscheinlich sehr viel.«
    Bevor ich fragen konnte, was er damit meinte, rüttelte er wie wild an

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