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Heimkehr

Heimkehr

Titel: Heimkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Bach
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Mittagessen beendet und der Abwasch erledigt war, warf ich meinen Gleitschirm in den Wagen und fuhr Richtung Berg. Unterwegs war ich in Gedanken versunken; ich hoffte, meinen kleinen Freund wiederzusehen.
    Er saß auf der gleichen Bergkuppe, aber nun wuchsen junge Bäume an den Abhängen, und eine Wiese erstreckte sich bis zu einem grünen Horizont.
    Er wendete sich mir sofort zu. »Erzähle mir bitte von der Ehe.«
    »Sehr gern. Aber warum?«
    »Ich habe nie geglaubt, daß das auf mich zukommen würde, aber nun weiß ich, daß es der Fall sein wird. Ich bin unvorbereitet.«
    Ich unterdrückte ein Lächeln. »Ganz recht, du bist unvorbereitet.«
    Er runzelte die Stirn. »Was muß ich wissen?« fragte er ungeduldig.
    »Ein Wort, merke dir ein Wort, und du weißt alles. Präge dir ein: anders. Du bist anders als alle anderen in der Welt, und du wirst anders sein als die Frau, die du heiratest.«
    »Ich wette, du erzählst mir jetzt etwas Einfaches, weil du gedacht hast, die Ehe sei auch ganz einfach. Dabei ist das Gegenteil der Fall.«
    »Das Einfache springt nicht ins Auge, Kapitän. ›Wir sind anders‹ — das ist eine Offenbarung, eine Erkenntnis, zu der viele Verheiratete nie kommen und zu der auch eine Menge netter Leute selbst dann nicht gelangen, wenn sich nach Jahren der Staub der Scheidung gelegt hat.«
    »Anders, aber auch gleich?«
    »Keineswegs«, antwortete ich. »Die Ehe ist kein Bereich, in dem Gleichheit herrscht. Leslie ist zum Beispiel auf dem Gebiet der Musik besser als ich. Ich werde nie aufholen, was sie im Alter von zwölf Jahren gewußt, geschweige denn, was sie bis zum heutigen Tag gelernt hat. Ich könnte bis zum Ende meines Lebens üben und würde nie ein Instrument so gut beherrschen oder so einfühlsam spielen wie sie. Dagegen wird sie Flugzeuge wahrscheinlich niemals so gut fliegen wie ich. Sie begann damit erst zwanzig Jahre, nachdem ich mit dem Fliegen angefangen hatte, und sie kann mich nicht einholen.«
    »Ist alles andere auch ungleich?«
    »Alles. Ich habe nicht alles so gut im Griff wie sie, und sie hat nicht soviel Geduld wie ich. Sie kämpft um Dinge, die für sie wichtig sind, ich bin der kühle Beobachter. Ich bin egoistisch, was für mich bedeutet, nach Möglichkeit in meinem eigenen langfristigen Interesse zu handeln. Sie dagegen haßt Egoismus, denn das bedeutet für sie, daß man ein Verlangen trotz der Folgen sofort befriedigt. Manchmal erwartet sie von mir, daß ich meiner Auffassung von Recht in ihrem Interesse zuwiderhandle, und ist dann überrascht, wenn ich es nicht tue.«
    »Ihr seid also anders«, sagte er. »Gilt das nicht für jeden Ehemann und jede Ehefrau?«
    »Und fast jede Ehefrau und fast jeder Ehemann vergessen es. Wenn ich es vergesse und von Leslie erwarte, eigennützig zu sein, wenn sie es vergißt und von mir erwartet, alles so im Griff zu haben wie sie, so nehmen wir an, daß der andere in bezug auf die Fertigkeiten, die wir erworben haben, genauso gut ist wie wir. Die Ehe ist kein Wettkampf, um die Stärken des anderen zu übertreffen, sie ist eine Kooperation, die unserer Verschiedenheiten bedarf.«
    »Aber manchmal macht es euch auch wahnsinnig, anders zu sein, da wette ich.«
    »Nein. Es macht uns nur wahnsinnig, wenn wir vergessen, daß wir verschieden sind. Immer wenn ich glaubte, daß Leslie und ich eins wären, nur in zwei verschiedenen Körpern, daß sie wüßte, was ich in jeder Sekunde denke, und daß meine Wertvorstellungen und Prioritäten mit ihren genau übereinstimmten, dann kam es mir vor, als ob ich in einem Faß einen Wasserfall hinabfahren wollte. Eine Minute später hätte ich mich dann gefragt, weshalb ich plötzlich unten auf dem Fluß treibe und was diese kaputten Faßreifen und Dauben um mich herum zu bedeuten haben, während ich triefend wie ein nasser Schwamm aus dem Wasser klettere. Ich fühlte mich für alles schuldig, bis mir einfiel, daß wir verschieden sind.«
    Seine Augen wurden schmal. »Schuldig? Wieso schuldig?«
    »Erinnere dich an unsere Maximen«, sagte ich. »Schuldgefühl entsteht aus der Spannung, die wir empfinden, wenn wir unsere Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft einer anderen Person wegen ändern möchten. Das Schuldgefühl hat für die Ehe etwa die gleiche Bedeutung wie der Eisberg für die Titanic. Erwischt es dich im Dunkeln, gehst du unter.«
    Seine Stimme hatte plötzlich einen sehnsüchtigen Klang. »Ich hatte die leise Hoffnung, die Frau, die ich heirate, würde ein wenig wie ich sein.«
    »Nein!

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