Heimkehr am Morgen (German Edition)
ruiniert, und was würde dann aus den Jungen werden? Sie waren doch alles, was sie auf dieser lausigen Welt hatte, auch wenn sie sie nie sah.
Frank riss die Tür sperrangelweit auf, rannte hinaus und ließ sie einfach offen stehen. Einen Augenblick später rasten Pferd und Wagen im Schlingerkurs aus dem Vorgarten.
Mühsam erhob sich Emmaline vom Bett, stützte sich am Türrahmen ab und sah Frank Meadows nach.
Möge Gott diesen nutzlosen Lambert Bauer verdammen. Wäre er nur halb der Mann, der er sein sollte, wären ihre Kinder in Sicherheit und sie müsste nicht dieser erniedrigenden Arbeit nachgehen.
Zum ersten Mal seit sehr langer Zeit vergrub sie das Gesicht in der Armbeuge und brach in Tränen aus.
Kapitel 21
Jessica beugte sich über das Waschbecken näher zum Badezimmer-spiegel, um einige widerspenstige Haarsträhnen festzustecken. Heute Vormittag hatte sie sich erneut mit Dr. Pearson im Krankenhaus treffen müssen, um die aktuellen Fälle zu besprechen und ihm ihre Aufzeichnungen zu übergeben. In einem von Männern dominierten Beruf wurde sie häufig mit Überheblichkeit und Geringschätzung konfrontiert, aber unter den gegebenen Umständen ärgerte sie sich über ihn besonders. Bei allem, was sie ihm im Krankenhaus gezeigt und erklärt hatte, hatte er stillschweigende Verachtung ausgestrahlt. Nichts schien seinen Maßstäben oder Erwartungen zu genügen.
Nach ihrem Rundgang durch die Krankenstation hatte sie ihn mit hierher genommen, um ihm die Praxis und die darüberliegende Wohnung zu zeigen, außerdem das praktisch eingerichtete Krankenzimmer mit den zwei Betten für Patienten, die rund um die Uhr versorgt werden mussten, wie beispielsweise frisch Operierte oder Menschen, die zu krank waren, um nach Hause zurückzukehren. Er ließ keinen Zweifel daran, dass es in seinen Augen an allem mangelte.
Als er gegangen war, war sie, immer noch wütend über diesen unausstehlichen Menschen, wieder nach oben gestapft, um sicheinen Augenblick Ruhe zu gönnen und dann mit dem Packen zu beginnen. Es waren schwere Zeiten, Zeiten, die verlangten, dass man zusammenarbeitete und gemeinsam danach trachtete, Leben zu retten. Vorurteile und das eigene Ego hatte man hintanzustellen. Nein, die Schulturnhalle war definitiv nicht das New Yorker Bellevue Hospital, aber sie mussten eben mit dem auskommen, was zur Verfügung stand.
Sie betrat das Wohnzimmer und sah sich um. Diese Wohnung und die Praxis unten würden ihm gehören, sobald sie hier ihre Zelte abbrach. Sogar Pearsons Name stand bereits auf dem Schild, das an der Vorderseite des Hauses an einer schmiedeeisernen Halterung hing.
Plötzlich hörte sie, wie jemand an der Tür im Erdgeschoss rüttelte, und ihr Herz machte einen Satz. Sie hatte sich angewöhnt, die Eingangstür immer abzuschließen. Bilder von Adam Jacobsen, die Augen von flammendem Hass erfüllt, oder von neuen Schikanen durch seine Anhänger schossen ihr durch den Kopf. Menschen, die anderer Ansicht als Jacobsen waren, wagten es nur, sich im Flüsterton über ihn zu äußern, vor lauter Angst, sich den Zorn der American Protective League zuzuziehen.
Und wenn dort unten nicht Jacobsen stand, wer sonst mochte etwas von ihr wollen? Ein Telegramm konnte es nicht sein, war doch Leroy Fentons Botenjunge erst vor Kurzem da gewesen und hatte ihr eines aus Seattle mit der üblichen Frage nach ihrer Ankunft überbracht.
Nun klopfte es an der Tür.
Jessica ging zum Treppenabsatz, konnte aber von dort oben nicht sehen, wer auf der anderen Seite des Türglases stand.
Erneutes Klopfen. »Jessica?« Sie erkannte Coles Stimme und merkte erst jetzt, dass sie die ganze Zeit die Luft angehalten hatte. Eilig lief sie die Treppe hinunter. »Ich komme, Cole!« Sie rannte durch den Eingangsbereich und riss die Tür auf. Als sie ihn dort stehen sah, groß und breitschultrig, den silbernen Sheriffstern an der Jacke und den Revolvergürtel um die Hüfte geschnallt, fühlte sie sich sofort sicherer. Er verkörperte im Augenblick die einzigeSicherheit für sie. Beim Eintreten küsste er sie zärtlich auf Mund und Wangen, und diese liebevolle Geste verursachte ihr vor Rührung einen Kloß im Hals.
»Hat es wieder Probleme gegeben?«, fragte er.
»Nein. Trotzdem traue ich mich nicht mehr, die Tür unversperrt zu lassen.«
Er nickte. »Vermutlich ist es ganz richtig, dass du dich einschließt. Ich habe in der Schule vorbeigeschaut, aber Granny Mae hat gesagt, dass du hier bist. Pearson wirkte etwas
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