Heimkehr am Morgen (German Edition)
aufstrebende Gemeinde im Einzugsbereich von Portland, wo Holzbarone und Pressemagnaten denselben luxuriösen Lebensstil pflegten, den er gewohnt war. Willets jedoch, der bäurisch wirkende Bahnhofsvorsteher, hatte ihm erklärt, dass die Stadt fünfzehn bis zwanzig Meilen westlich von hier lag, und dazwischen gebe es nur Farmland und einige andere Städtchen wie Powell Springs. Nach dem zu schließen, was er bisher gesehen hatte, war Powell Springs nicht mehr als ein Kuhdorf.
»›Lasst, die ihr eintretet, alle Hoffnung fahren‹«, murmelte er. Dann nahm er noch einen Schluck Cognac aus der Flasche und ließ ihn bis zum letzten Tropfen auf die Zunge fließen.
Adam Jacobsen saß in Laura Donaldsons Wohnzimmer im Schaukelstuhl und plauderte mit Amy Layton. Auf den Knien balancierte er sein Klemmbrett, das einen dicken Stoß Papiere enthielt. Er war gekommen, um sich die Unterschrift der älteren Dame für seine Petition zu holen. Sie hatte ihm nur zu gern den Wunsch erfüllt und ihn zum Mittagessen eingeladen.
»Was meinst du, haben schon genügend Leute unterschrieben?«, fragte Amy. Obwohl angekleidet, lag sie in einem mit vielen Kissen ausgepolstertem Sessel, die Füße auf einen Schemel mit Gobelinstickerei hochgelegt. Sie hatte ein blassblaues Tuch um die Schultern geschlungen und wirkte wie der Inbegriff einer Rekonvaleszentin.
Er tippte auf die Listen mit den Namen. »Wahrscheinlich noch nicht, aber ich werde heute Abend bei der Gemeindeversammlung herumgehen, und ich bin sicher, dass wir dann mehr als genug beisammen haben. Außerdem sollte es sich, nun, da Dr. Pearson eingetroffen ist, um eine reine Formalität handeln.«
Whitney Gannon hatte ihm wegen des Schadens an der Arztpraxis einen Besuch abgestattet. Natürlich konnte er diese Art von Gewaltanwendung niemals gutheißen, und er hatte sich geärgert, dass James Leonard sich zu so etwas Dummem hatte hinreißen lassen. Es würde ihrer Sache nicht helfen, sondern sogar schaden. Er hatte Sheriff Gannon versichert, dass er alles in seiner Macht Stehende tun werde, um seine Anhänger von weiterem Vandalismus abzuhalten. Im Gegenzug würde Gannon Leonard nicht verhaften, sondern nur dazu verpflichten, für die Reparaturkosten aufzukommen. Außerdem würde die Praxis sowieso bald von Dr. Pearson geführt werden, und was hatte es da für einen Sinn, die Fenster einzuwerfen?
Adam setzte eine mitfühlende Miene auf. »Es ist eine Schande, dass deine eigene Schwester, eine Frau aus guter Familie, sich als so unmoralisch und treulos erwiesen hat. Das nimmt dich bestimmt sehr mit, Amy, wo du doch auch noch gar nicht wieder richtig gesund bist. Zu entdecken, dass Jessica und Braddock sich hinter deinem Rücken zusammengetan haben, während du im Krankenbett um dein Leben gekämpft hast – das muss ein schwerer Schlag für dich gewesen sein.«
»Und was sie mir alles vorgeworfen haben, lauter Lügen – ich soll ein gefälschtes Telegramm an Jess aufgegeben haben, um ihr Cole wegzunehmen.« Amy presste die Handfläche gegen die Stirn. »Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr mich das erschüttert hat. Aber dich hat sie ja auch ziemlich übel behandelt. Ich weiß nicht, was aus meiner Schwester geworden ist – sie ist ganz anders als früher. Die Jahre im Osten müssen sie verändert haben. Das hat sie zwar selbst auch gesagt, ich war mir jedoch nicht darüber im Klaren, wie sehr.«
Mrs. Donaldson, fürsorglich wie eh und je, betrat das Zimmer. Sie brachte ein Tablett mit Tee und raffinierten, winzigen doppellagigen Sandwiches ohne Kruste. »Ich habe Ihnen einen kleinen Imbiss gemacht. Vermutlich essen Sie kaum mehr hausgemachte Mahlzeiten, Mr. Jacobsen, seit Nettie fort ist.«
»Ich komme einigermaßen zurecht, Mrs. Donaldson, aber vielen Dank für Ihre freundliche Geste. Nettie Stark hat so lang für uns gearbeitet, es wäre mir nicht im Traum eingefallen, dass sie bei dieser Sache gegen mich Partei ergreifen würde. Die Schäfchen des Herrn zu hüten ist oft eine einsame Aufgabe.«
Mrs. Donaldson stellte das Tablett auf dem Tischchen zwischen ihm und Amy ab und reichte ihm einen Teller mit zwei Eiersandwiches und eine Tasse Tee. »Da machen Sie sich mal keine Sorgen, Sie wissen doch, dass Sie hier jederzeit willkommen sind. Und ich bin sicher, Amy würde sich über Ihre Besuche freuen.«
Amy zog ihr wollenes Schultertuch zurecht. »Aber ja! Zwar fürchte ich, dass ich mich noch nicht wieder völlig erholt habe, aber ich bin bestimmt bald wieder
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