Heimkehr am Morgen (German Edition)
Panik gepaart mit Schuldgefühlen.
Das Thema, das er diese Woche für die Predigt ausgesucht hatte, war die Ehe. Keine zufällige Wahl. Adam ging auf die dreißig zu und war immer noch nicht verheiratet, woran ihn Nettie Stark, die stämmige, offenherzige Frau, die seit drei Jahren den Jacobsen-Haushalt führte, regelmäßig erinnerte. Seltsamerweise jedoch war ihm sein Junggesellendasein erst so richtig bewusst geworden, als er Jessica Layton durch das Hotelfenster erspäht hatte.
Als sie noch jünger waren, hatten sich ihre Wege selten gekreuzt. Sie entsprach genau der Sorte Frau, vor der sein Vater ihn immer gewarnt hatte. Und sie hatte sich mit Cole Braddock eingelassen, der aus einer Familie raubeiniger Rancher stammte, die Wildpferde zuritten und mit derselben Leichtigkeit auch mit den Elementen und Frauen umzugehen wussten. Über die Jahre hinweg hatte Adam Jessica jedoch immer im Auge behalten. Bei ihren seltenen Besuchen zu Hause hatte er sie ab und an zu Gesicht bekommen, sie ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Da die junge Liebe nun beendet war, würde Cole wahrscheinlich Amy Layton heiraten, und Adam wurde an eine Binsenweisheit aus dem Ersten Buch Mose erinnert.
Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei
.
Um ehrlich zu sein, war Amy, und nicht ihre Schwester, eher die Sorte Frau, die er sich als seine Gefährtin vorgestellt hatte. Dennoch hatte er insgeheim immer Jessica angeschmachtet, auch wenn er seinem Vater von ihrem zügellosen Benehmen berichtet hatte. (Nie würde er vergessen, wie er sie und Braddock unten am Bach überrascht hatte. Die Szene, die sich ihm bot, hatte sich tief in sein Gedächtnis eingebrannt – fieberhaft streichelnde Hände, ihr Rock bis über die Knie hochgerutscht, sein Hemd aufgeknöpft, und Adams eigene Erregung und Angst, als er sich umdrehte und davonstürzte.)
In seinem Herzen hatte er über diese jugendliche Unbedachtheit hinweggesehen und ihr vergeben. Seiner Meinung nach hattesie mit der Wahl ihres Berufs ihren Fehler wiedergutgemacht, und er hatte diese Wahl bewundert, auch wenn Ephraim es nicht tat. Doch genau wie Adam dazu berufen war, Seelen zu retten, war sie dazu berufen worden, Leben zu retten. Sie waren beide in die Fußstapfen ihrer Väter getreten. In dieser Hinsicht passten sie zusammen, zumal sie sich über die Konventionen hinweggesetzt hatte, um sich in den Dienst der Kranken zu stellen. Weibliche Ärzte waren eine Seltenheit, außer Jessica kannte er keine.
Das leere Blatt vor sich einen Augenblick vergessend, sah er sich im Zimmer um und dachte, dass ihm das Haus jeden Tag leerer vorkam. Vermutlich ein dummer Gedanke. Es hatte sich kaum etwas verändert. Bevor sein Vater starb, hatten sie sich hier jahrelang hinter der immer gleichen Routine verschanzt. Das Pfarrhaus stand gegenüber der Kirche, und dazwischen befand sich eine Art Parkanlage. Ein bescheidenes Heim, gemütlich, aber eher für eine kleine Familie als einen alleinstehenden Mann gedacht.
Und dann gab es da noch diese andere, beschämendere und dringliche Sache.
Es ist besser zu heiraten, als sich in Begierde zu verzehren
.
Und ja, Adam verzehrte sich in Begierde. Er hatte sich nie vorgestellt oder gewünscht, als Mönch zu leben. Unter anderem aus diesem Grund hatte er Horace Cookson gedrängt, Jessica zum Bleiben zu bewegen. Er begehrte sie. Und wenn Gott und das Glück auf seiner Seite standen, würde sie ihm eine gute Ehefrau werden.
Leutnant Steven Collier trat aus dem Hauptquartier seines Zugs, das im Hof eines ausgebombten Bauernhofs aufgeschlagen worden war. »Heute Nacht geht’s wieder an die Front, Jungs«, wandte er sich an den Rest des Zugs, nachdem er sich neben Riley in den Schützengraben hatte plumpsen lassen.
»Wie bitte?«, fragte Riley. »Wir waren Stunden unterwegs und sind gerade erst angekommen. Man hat uns doch erst letzte Nachtabgelöst.« Sie befanden sich in den Schützengräben der Reserve hinter der Kampflinie. Von irgendwo erklang »My Old Kentucky Home« auf einer Mundharmonika.
Whippy, gelassen wie eh und je, drehte sich auf dem Schoß eine Zigarette.
»Aber Sir, ich hatte gehofft, ein Bad nehmen zu können«, sagte Stoney.
»
Hier?
«, fragte Whip ohne aufzusehen. »Du träumst wohl, Junge. Die einzige Möglichkeit, hier ein Bad zu nehmen, ist, sich in den Regen zu stellen.« Er blickte zu dem schweren grauen Himmel hinauf. »Ich glaub, du könntest Glück haben.«
Allgemeines Murren und Fluchen hatte sich erhoben.
»Ja, ja, ich weiß«,
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