Heimkehr am Morgen (German Edition)
möglich von sich zu erzählen, ihr zu versichern, dass er wohlauf war, und sie zu bitten, ein paar Dinge zu schicken.
»Schreibst du nicht an deine Mutter, Whippy?«
Fournier stand vor einem kleinen Spiegel, der an einem Draht von einem Nagel in der Erdwand hing. Auf einem Feldstuhl neben ihm befand sich eine Schüssel Wasser, und er hatte sich bis aufs Unterhemd ausgezogen. »Doch, aber es ist unter meiner Würde, wie ein Straßenräuber auszusehen. Wenn ich hiermit fertig bin, schreibe ich ihr noch schnell.« Riley hörte das Kratzen des Rasiermessers und dann, wie scharf die Luft eingezogen wurde. »Mein Gott«, murmelte Fournier, »ich frage mich wirklich, wie man von einem Mann erwarten kann, sich in so einem Funzellicht zu rasieren.«
Er wischte sich den Rest Seifenschaum mit einem halbwegs sauberen Handtuch vom Kinn und schaute Riley an. Dort, wo er sich geschnitten hatte, prangte ein Blutfleck am Kinn.
»He, Soldat, wo ist deine Erkennungsmarke? Du weißt, dass wir sie niemals abnehmen dürfen.«
»Du willst doch nicht jetzt noch den Vorgesetzten rauskehren, oder, Braddock? Ich habe eine süße gallische Mademoiselle kennengelernt, die gern eine Erinnerung an unser romantisches nächtliches Stelldichein haben wollte.«
»Und du hast ihr deine Erkennungsmarke gegeben?«
Whip zeigte wieder sein lässiges, breites Grinsen. »Zusammen mit meinem besten Stück.«
Riley fing an zu lachen. Er konnte nicht anders. Dieser Exzentriker aus dem Süden war der einzige Lichtblick in diesem ganzen grässlichen Krieg. »Du bist unglaublich. Verschenkst billigen Schmuck und dein bestes Stück, und dabei schießt man uns beinahe den Hintern weg.«
»Genau. Das ist der perfekte Grund dafür.« Er fuhr mit dem Kamm durch sein braunes Haar.
Immer noch lachend schüttelte Riley den Kopf. »Hoffentlich hast du auch einen Pariser benutzt, damit sie nicht eine andere bleibende Erinnerung an dich behält.«
»Eigentlich finde ich ja, dass die Saat meiner Lenden für den Menschenschlag hier ein Gewinn wäre. Aber ein Gentleman ist immer vorbereitet.« Er zog ein kleines Päckchen aus seinem Tornister und wedelte damit herum. »Auch ich brauche keine bleibende Erinnerung. Was predigen unsere Militärkaplane immer? Eine Nacht im Himmel, drei Jahre in der Hölle. Schließlich will ich mir keine Geschlechtskrankheit einfangen, und die Behandlung klingt noch schlimmer als die Krankheit selbst.«
Riley rückte die Schreibunterlage auf seinem Knie zurecht. »Sieh zu, dass du eine neue Erkennungsmarke kriegst und dann auch behältst. Die Sanitäter wollen nämlich deinen Namen wissen, falls sie dich auflesen.«
Whippy machte eine graziöse Verbeugung. »Ich werde sehen, was sich machen lässt, Sir.«
Riley beendete seinen Brief an Susannah und gab ihn in die Post. Dann versuchte er, noch eine Mütze voll Schlaf zu bekommen.Nach gefühlten fünf Minuten rüttelte ihn jemand an der Schulter.
»Es wird Zeit, Braddock.« Leutnant Collier stand über ihm.
Die Marschverpflegung wurde verteilt, und als das letzte Oktoberlicht schwand, kletterten die Soldaten aus den Unterständen und begannen ihren Marsch zurück an die Front. Sie kamen an schlammverkrusteten Männern vorbei, die einen Schützengraben aushoben, an Soldaten, die ein zerstörtes Telefonkabel reparierten, und an einer stinkenden Leiche in deutscher Uniform, die mit dem Gesicht nach unten in einer Schlammpfütze lag. Über ihnen brummte ein deutsches Flugzeug. Bei der letzten Offensive waren die feindlichen Luftangriffe ausgesprochen brutal gewesen. Die Deutschen wollten die Kontrolle erringen und bewahren.
Während er so dahintrottete, drängte sich Riley die Frage auf, wie Frankreich wohl vor Beginn des Krieges ausgesehen hatte. Es musste ganz anders gewesen sein. Meilenweit war der Boden von Granattrichtern übersät, was ihn an ein Foto vom Mond erinnerte, das er einst in einer alten Zeitschrift gesehen hatte. Hier sah es genauso wüst aus. Die Bäume waren geborsten, ohne Blätter, tot. Nachts konnte man sie leicht für Menschen halten. Falls es hier jemals sanft gewellte Lavendelfelder, Tomaten oder Wein gegeben hatte, irgendeine richtige Vegetation, dann war davon nichts mehr zu sehen. In seinem Innern stieg das Bild seiner Heimat auf, wo Frieden herrschte und stattliche Pferde auf saftig grünen Wiesen weideten. Oh, Gott, wie er sich danach sehnte!
In der Ferne schleuderte eine Granate drei Männer aus einem Schützengraben.
Mit gesenktem Kopf stapfte er
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