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Heimkehr am Morgen (German Edition)

Heimkehr am Morgen (German Edition)

Titel: Heimkehr am Morgen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexis Harrington
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weiter. Im Augenblick würde er sich einzig darauf konzentrieren, dass er und seine Männer am Leben blieben, damit er in die Welt zurückkehren konnte, die er angeblich verbessern sollte.

Kapitel 7
    In der Wohnung über der Praxis packte Jessica ihre Koffer aus und hängte ihre frisch gebügelten Kleider in den Schrank. Und jetzt noch ein Bad nehmen, nichts könnte schöner sein. Ein eigenes Badezimmer – einfach himmlisch. In ihrer Pension hatte das Badezimmer auf dem Flur gelegen und durfte nur nach einem festen Stundenplan benutzt werden. Wenn Jessica ihren Termin versäumt hatte, was wegen der Arbeit oft der Fall gewesen war, hatte sie sich am Waschbecken in ihrem Zimmer mit dem Schwamm waschen müssen. Und die Verhältnisse im Zug, in dem sie die vergangene Woche verbracht hatte, waren noch spartanischer gewesen – dort musste sie sich auf Katzenwäsche beschränken. Sie setzte sich aufs Bett und sah sich um. Die Wohnung war schlicht, eine Steppdecke auf dem Bett, sauber, ruhig und gemütlich, wie ganz Powell Springs. Amy hatte ihre Sache gut gemacht.
    Jessica fühlte sich müde von der Reise und dem langen Tag. Vor allem jedoch war sie erschöpft von ihren Erlebnissen in New York, das wusste sie. Sie dachte nicht gern daran, aber die Erinnerungen brachen über sie herein wie die windgepeitschten Wellen des Atlantiks im Winter. Sie kamen immer dann, wenn sie am wenigsten damit rechnete, oder wenn jemand sie nach dieser Zeit fragte, wieAmy heute. Oft träumte sie davon, und dann waren die Geräusche und Bilder in ihren Träumen so plastisch, dass sie mit Herzrasen aufwachte und dachte, sie wäre wieder mittendrin in dem Geschehen, das sie im Osten hinter sich gelassen hatte. Nicht einmal die vier Wochen Erholung in Saratoga Springs hatten dagegen etwas ausrichten können. Vier Wochen reichten nicht. Es brauchte mehr als einen Monat, sagte sie sich. Zeit, zu genesen, Zeit, sich zu vergeben. Vielleicht würde sie nie vergessen, aber im Lauf der Wochen und Monate, wenn sie sich in ihrer neuen Stelle in Seattle eingewöhnt hatte, würden diese Bilder sicher verblassen. An diese Hoffnung klammerte sie sich wie an eine Rettungsleine. Aus dem Telegramm aus Seattle zu schließen, würden sie dort völlig neue Aufgaben erwarten.
    Als sie die Arme hob, um die Haarnadeln aus ihrem Knoten zu ziehen, hörte sie ein Türklopfen. Es war so schwach, dass sie erst dachte, es klopfte an einem anderen Zimmer auf dem Flur, nur dass es hier in Powell Springs kein anderes Zimmer auf dem Flur gab, zumindest kein bewohntes.
    Nein, da war es schon wieder, und es kam von unten.
    Auf dem Weg zur Haustür sah sie durch die Spitzengardine schemenhaft die Silhouette eines Mannes. »Wer ist denn da, bitte?«
    »Dr. Layton?« Die Frage klang eher wie ein Krächzen. Durch den Gardinenspalt erkannte sie Eddie Cookson, der schwankend wie ein Betrunkener auf der kleinen Veranda stand. Sofort sperrte sie auf und öffnete die Tür.
    »Eddie! Was um alles in der Welt tust du hier?« Sie nahm seinen Arm, zog ihn ins Wartezimmer und schob ihn auf den nächsten Stuhl. Er trug immer noch seine Uniform, aber er sah sehr viel schlechter aus als heute Morgen. »Ich dachte, dein Vater wollte dich abholen!«
    »Er muss noch arbeiten. Ich habe ihm gesagt … er soll ruhig … es sind ja nur ein paar Meilen. Ich dachte, ich könnte laufen.«
    »Du bist doch von hier weggegangen. Wo bist du denn die ganze Zeit gewesen?«
    »Herumgelaufen … ich weiß gar nicht mehr, wo ich …« Ein Hustenanfall schüttelte ihn, bevor er den Satz beenden konnte.
    »Großer Gott«, murmelte Jess.
    Sie eilte in den Flur, um aus ihrer Tasche im Arbeitszimmer Stethoskop und Thermometer zu holen. Nachdem sie ihm das Glasröhrchen in den Mund gesteckt hatte, ließ sie ihn die obersten Knöpfe seiner Wolljacke öffnen, damit sie sein Herz abhören konnte. Es hämmerte wie das eines abgerackerten Pferdes. Sie ging zurück ins Arbeitszimmer und nahm ihre weiße Schürze vom Haken, wo sie sie zuvor aufgehängt hatte. Dann suchte sie unter den Apothekerfläschchen und Glasphiolen in den Vitrinenschränken nach den Zutaten, die sie brauchte. Ihr wurde ganz eng im Hals, als sie auf manchen Etiketten die Schrift ihres Vaters in verblichener brauner Tinte erkannte. Andere Etiketten trugen Cyrus Vandermeers Beschriftung.
    Atropinsulfat … Morphinsulfat … Chininsulfat … Kampfer … Gummitragant … Ja, es war alles da, Gott sei Dank. In anderen Regalen fand sie eine

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