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Heimkehr am Morgen (German Edition)

Heimkehr am Morgen (German Edition)

Titel: Heimkehr am Morgen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexis Harrington
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mit.«
    »Whitney Gannon? Er hat mich erst letzten Monat besucht. Bestell ihm schöne Grüße von mir.« Sie schoss vom selben Baum einen Ast weg, der ihn um Haaresbreite verfehlte, als er auf den Boden krachte. Lambert fluchte wie ein Kesselflicker, und sie beobachtete mit großer Genugtuung, wie er auf seinen dürren Beinen über den Zufahrtsweg trabte.
    »Es ist noch nicht vorbei!«, schrie er abermals vom Rand des Grundstücks zurück. Diese letzte Drohung stieß er auf sicherem Terrain aus, hinter den mit Unkraut überwucherten Brombeeren, ehe er sich trollte.
    Em schlug die Tür zu, verriegelte sie und sank auf den nächstbesten Küchenstuhl. Ihr Herz pochte so schnell und heftig, dass sie meinte, der Brustkorb würde ihr zerspringen. Ihre Hände wurden kalt und flatterten. Ein Beben fuhr durch ihre Glieder, als sie schlotternd auf dem harten Stuhl saß. Eine leichte Welle der Übelkeit erfasste sie. Oh Gott … du lieber Gott …
    Sie griff nach ihrem Päckchen Lucky Strikes auf dem Tisch – eines der wenigen Luxusgüter, die sie sich gönnte – und zündete sich mit zitternder Hand eine Zigarette an. Dann inhalierte sie tief, um ihre aufgewühlten Nerven zu beruhigen.
    Lambert Bauer.
    Wie – warum – kreuzte er nach all der Zeit plötzlich hier auf?
Warum
war es nicht vorbei? Was hatte er jetzt mit ihr vor? Und Virgil Tilly sei verflucht dafür, dass er ihn hierhergeschickt hatte.Andererseits hatte er ja nichts von ihrer Verbindung zu Lambert gewusst.
    Was bedeutete das für die Kinder? Lambert hatte sie mit keiner Silbe erwähnt. Wusste er etwas von den Jungen? Sie fuhr sich mit bebenden Fingern durchs Haar. Nein, das konnte nicht sein. Niemand wusste etwas von ihnen. Nur sie und eine einzige andere Person kannten ihren Aufenthaltsort. Lambert war sowieso nie ein richtiger Vater für sie gewesen. Was war das für ein Mensch, der seine Frau mit zwei kleinen Jungen sitzen ließ und sich immer noch Vater nannte?
    Sie wegzugeben war die schwerste Entscheidung ihres Lebens gewesen, aber sie hatte es aus Liebe getan. Der Großteil ihrer Einnahmen floss auf ein Bankkonto in Twelve Mile, um ihren Unterhalt zu bezahlen. Manchmal gestattete sie es sich, von einem Tag in der Zukunft zu träumen, wenn sie drei wieder vereint wären. Aber Em war eine durch und durch pragmatische Person. Ein Wiedersehen war ziemlich unwahrscheinlich, und so zu tun, als könnte es geschehen, machte ihr nur das Herz schwer.
    Sie starrte auf das durchhängende Eisenbett auf der anderen Seite des Zimmers. Sie hatte dieses Bett viele Male gemacht.
    Und sie hatte gelernt, darin zu liegen.

    In den nächsten Tagen probierte Jessica an ihren Patienten alle erdenklichen Heilmittel aus. In ihrer Verzweiflung verabreichte sie allerlei Pflaster, Elixiere, Stärkungsmittel, Extrakte und Tinkturen. Außerdem gab sie Aspirin, entgegen Granny Maes Einwand, es sei giftig. Obwohl alle Patienten dieselbe gewissenhafte Behandlung und intensive Pflege erfuhren, überlebten nur manche, und viele starben. Trotz ihrer ganzen Ausbildung und Erfahrung hatte Jessica keine Ahnung, warum. Sie hatte nie etwas Derartiges erlebt, aber jedes einzelne Leben lag ihr am Herzen, ob gerettet oder verloren.
    Diejenigen, die sich ans Leben klammerten, feuerte sie im Stillen an, denn sie betrachtete jeden von ihnen als Sieg über den Tod. Diejenigen, die es nicht schafften, vermittelten ihr das bedrückende Gefühl der Niederlage. Oft trug der Tod den Sieg davon.
    Adam verbrachte viel Zeit im Krankenhaus, besuchte jedes Bett, bot den Geplagten Trost und Gebete. Sie hörte ihn den Psalm 23 so oft rezitieren, dass sich die Worte in ihr müdes Gehirn eingegraben zu haben schienen. Ziemlich häufig stellte sie beim Aufblicken fest, dass er sie hoffnungsvoll betrachtete, als erwartete er, sie würde seinen Antrag hier und jetzt annehmen. Und in diesem ganzen traurigen Durcheinander kam er jeden Tag mit einem kleinen Geschenk für sie an, einem Taschentuch, einem Gedichtband, einem Spitzendeckchen, das seiner Mutter gehört hatte. Keines war zu persönlich, trotzdem fand sie seine Aufmerksamkeiten angesichts der Umstände lästig und unangemessen.
    Zu alldem hinzu kam noch die Erinnerung an das schreckliche Gespräch mit Amy. Jess versuchte sich damit zu trösten, dass ihre Schwester ihre Worte in Hast und Erregung ausgestoßen hatte. Aber nicht einmal das half.
    Eines Spätnachmittags hatte sie das Gefühl, ein paar Minuten Abstand zu brauchen von den Reihen mit

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