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Heimkehr am Morgen (German Edition)

Heimkehr am Morgen (German Edition)

Titel: Heimkehr am Morgen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexis Harrington
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brauchen.«
    Sie betrachtete ihre Schwester, die im Delirium wimmerte. Die Entscheidung fiel ihr schwer, doch sie war wirklich müde. »Ja, wahrscheinlich. Aber nur eine oder zwei Stunden.« Kurz lehnte sie sich an ihn, dankbar für seine Stärke. Dann sah sie Fred Hustad und Bert Bauer durch die Hintertür hereinkommen, um die Toten aus dem Umkleideraum zu holen, der als Leichenhalle diente. Jessica wusste, dass dort fünf in Laken gehüllte Leichen auf sie warteten.
    Bei ihrem Anblick straffte sie die Schultern und flüsterte: »Cole, bitte, falls … was auch passiert, du darfst nicht zulassen, dass dieser schreckliche Bauer sie mitnimmt. Ich habe gesehen, wie er mit ihnen umgeht … bitte lass ihn nicht … und Winks ist auch nicht …« Sie schüttelte den Kopf, unfähig, den Satz zu beenden. Sie hatte Gerüchte gehört, dass Bert Bauer in Saloons in Twelve Mile und Fairdale Drinks mit Schmuckstücken bezahlte, die er angeblich »gefunden« hatte. Wo er den Schmuck herhatte, war nicht schwer zu erraten, auch wenn noch niemand ein Familienerbstück eingefordert hatte, das eigentlich mit seinem Besitzer begraben oder zurückgegeben hätte werden sollen.
    Cole und sie sahen den beiden hinterher, als sie eine Leiche nach draußen trugen. »Dazu wird es nicht kommen. Sie wird wieder gesund«, versicherte er ihr.
    Jessica streckte die Hand aus und drückte sein Handgelenk fester, als er ihr zugetraut hätte. »
Nein
. Du musst es versprechen. Ich will, dass du es mir ganz fest versprichst.«
    Er sah ihr direkt in die Augen. »Ich … keine Angst. Ich kümmere mich darum.« Seine Stimme verriet dieselbe nervliche Anspannung,die auch sie empfand. Erleichtert sank sie erneut an seine Schulter, nur einen kurzen Moment. In ihrer Benommenheit und Verwirrung glaubte sie seine Lippen auf ihrer Stirn zu spüren. Was für ein Albtraum die Welt geworden war – sie musste dafür sorgen, dass Cole ihre Schwester beerdigte, weil die einzigen anderen Menschen, die dafür zur Verfügung standen, ein gieriger Grabschänder und ein einfältiger Alkoholiker waren.
    Er leitete sie um die Trennwände und Krankenbetten herum. »Mae, Jess geht ein bisschen nach Hause.« Die alte Frau schob einen Teewagen mit Suppenschalen und einem großen Kessel Brühe für diejenigen, die kräftig genug zum Essen waren.
    Jessica spürte, wie die anderen freiwilligen Helferinnen sie kurz ansahen und dann den Blick abwandten, als wüssten sie nicht, was sie sagen sollten. Oder vielleicht hatten sie Angst, ihr Unglück würde sich auf sie übertragen und ein Angehöriger von ihnen erkranken.
    »Ich passe auf Amy auf«, sagte Mae, »keine Sorge. Wir halten die Stellung, bis Sie wieder zurück sind.« Sie reichte Jessica ein kleines, in eine Serviette gewickeltes Paket. »Ich habe Ihnen ein Hühnchen-Sandwich gemacht. Vielleicht sind Sie nicht hungrig, aber ich möchte, dass Sie es essen. Sie müssen bei Kräften bleiben.«
    Jess war froh, dass der vorläufige Waffenstillstand zwischen ihr und Granny Mae die letzten Tage und Nächte angehalten hatte. Inzwischen waren Maes unbeugsamer Pragmatismus und ihre unerschütterliche Ruhe im Angesicht des Elends eine echte Stütze für Jess. Als weder bei Bright’s noch in der Apotheke Vicks VapoRub aufzutreiben war, das aufgrund der Epidemie im ganzen Land knapp war, hatte Mae aus ihrem eigenen Vorrat an ätherischen Ölen und Vaseline einen anständigen Ersatz zusammengemischt.
    Jessica glaubte, dass Mae ihrem Engagement und ihrer harten Arbeit inzwischen widerwillig Respekt zollte. Mae hatte sogar eingeräumt, dass Jessicas medizinische Kenntnisse nicht allesamt Unsinn waren. Manchmal fiel Jessica auf, dass die alte Frau sie beobachtete. Dabei war ihr bewusst, dass Mae nur auf eine Gelegenheitwartete, sie zu kritisieren oder bei einem vermeintlichen Fehler zu ertappen. Aber zumindest wenn Mae sie etwas fragte, ließ sie sich bereitwillig belehren.
    Jetzt blickte Mae mit feuchten Augen zu Amy. »Gehen Sie nur und ruhen sich eine Weile aus. Wir holen Sie, wenn wir Sie brauchen.«
    »Ich fahre dich«, bot Cole an.
    Das Hühnchen-Sandwich in der Hand, zögerte Jess. Schließlich seufzte sie. »Na gut.«
    Sie blieb am Pult stehen, um ihre Schürze auszuziehen und ihre Ledertasche zu holen, die sie ungern zurücklassen wollte. Beim Hinausgehen spürte sie Adams kalten Blick auf sich und Cole.
    Dann machte er auf seinem Klemmbrett eine Notiz.

    »Erzähl mir von meinen Jungs. Sind sie gesund und munter? Geht es

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