Heimkehr am Morgen (German Edition)
Namen der Familie Schande machte, von den üblichen Lausbubenstreichen einmal abgesehen.
In seinem Fall würde der alte Mann allerdings vielleicht gar nicht von Schande sprechen. Cole schon: Er hatte Amy angelogen, ihr eine schwerwiegende Lüge erzählt. Es war keine Absicht gewesen, trotzdem hatte er es getan, und nun wusste er nicht, wie er es wiedergutmachen sollte.
Damit nicht genug, hatte er bei Amy den Eindruck erweckt, dass er ihr einen Antrag machen und sie heiraten würde. Aber er hatte den richtigen Moment noch nicht gefunden.
Nun hatten Gott oder das Schicksal sich bei ihm revanchiert, indem sie Amy mit der Influenza bestraft hatten. Dabei konnte sie, die süße, unschuldige Amy, doch gar nichts dafür, dass er so ein wankelmütiges Herz hatte.
Jessica saß zusammengesunken auf dem Beifahrersitz, als sie vor der Praxis hielten. Er zog die Handbremse an und fragte: »Hast du außer dem Sandwich von Granny Mae etwas zu essen im Haus?«
»Nein«, antwortete sie mit Blick auf das kleine Paket in ihrer Hand. »Vielleicht. Ehrlich gesagt, weiß ich es nicht.«
Er betrachtete sie im Licht der einsetzenden Dämmerung. »Hast du Kaffee?«
»Ja, und Horace bringt mir immer frische Sahne.«
»Dann komm.« Er sprang aus dem Lastwagen. »Ich verstehe vielleicht nicht viel vom Kochen, aber jeder Zureiter, der sein Geld wert ist, kann Kaffee machen.«
Sie seufzte. »Cole, was hat das für einen Sinn? Wir haben uns nichts mehr zu sagen.«
Er musterte ihr müdes Gesicht. Da war er anderer Meinung, aber jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, das zu erörtern. Es gab eine ganze Menge Dinge, über die sie reden mussten. »Weißt du,Jess, im Augenblick kann ich nicht viel tun, um zu helfen, und ich bin nicht gut darin, mich nutzlos zu fühlen. Du tätest mir also einen Gefallen, wenn ich mich um dich kümmern dürfte.«
Kurz schloss sie die Augen. Sie zögerte. »Na schön.« Sie stieg aus dem Lastwagen, ehe er ihr dabei behilflich sein konnte, und ging zur Tür ihrer Praxis. In ihren Manteltaschen suchte sie nach dem Schlüssel, aber Cole hatte seinen schon parat.
»Ich habe ihn.« Er drehte am Knauf und öffnete die Tür für sie. Als sie im Haus waren, schloss er wieder ab.
»Kaffee und Sahne sind oben.« Jess schaltete die Deckenleuchte ein. Die Glühbirne warf harte Schatten auf ihr Gesicht, wodurch sie noch müder wirkte. Sie stieg die Treppe zu ihrer Wohnung hinauf und achtete nicht darauf, ob Cole ihr folgte. Es war offensichtlich, dass sie davon ausging. Obwohl in ihren Röcken noch der Krankenhausgeruch hing, kam ihm auch der schwache Duft in die Nase, den er immer mit ihr verbunden hatte – nach dunklem Holz und herben Gewürzen.
Ganz und gar nicht nach Vanille.
In der kleinen Küche ihrer Wohnung übernahm er das Kommando. »Setz dich«, sagte er und deutete auf einen Stuhl am Tisch. Er schürte das Feuer im Ofen, und bald zog sich die herbstliche Kühle in die Zimmerecken zurück. »Wo ist der Kaffee?«
Sie ließ sich auf den Stuhl plumpsen und deutete vage in Richtung der Küchenzeile. »In der Anrichte, oberstes Fach rechts.«
Cole fand ihn, mahlte die Bohnen, und als der Kaffee durchlief, war der Raum bald von seinem köstlichen Duft erfüllt. Ohne ihre Hilfe stöberte er außerdem Tassen, Sahne und Löffel auf. Dann machte er sich auf die Suche nach etwas Essbarem – Granny Mae hatte recht, sie sollten sich stärken. Außer einem Laib Brot und einem Stück Butter auf einer Untertasse förderte er nichts Brauchbares zutage. Jessica hatte wirklich kaum Nahrungsmittel im Haus.
Schließlich hatte Amy ihn ja immer wieder daran erinnert, wie unbegabt Jess in der Küche war.
Das hatte ihn nie gestört.
Die Brotscheiben, die er vom Laib heruntersäbelte, ähnelten eher Fetzen, aber er war froh über die Ablenkung. Während er herumhantierte, spürte er Jessicas Blick auf seinem Rücken.
»Iss dein Sandwich«, sagte er über die Schulter. »Der Kaffee ist gleich so weit.«
Zufrieden, dass sie an dem Hühnchen-Sandwich knabberte, balancierte er die Tassen, die Kaffeekanne und die anderen Sachen zum Tisch. Auch er war kein großes Küchentalent.
»Entschuldige, wie das Brot aussieht«, murmelte er, als er den Teller abstellte.
Beim Anblick der groben Scheiben, die er abgeschnitten hatte, lächelte sie. »Ich hätte es wahrscheinlich auch nicht besser hinbekommen.« Maes Sandwich schmeckte gut, trotzdem aß sie es mechanisch, nur weil sie wusste, dass sie etwas zu sich nehmen musste.
Er
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