Heimkehr am Morgen (German Edition)
nicht ähnlich sah. Er hatte es immer geschafft,mindestens einmal pro Woche zu schreiben, je nach dem Stand der Gefechte. Allerdings erfuhren sie nie seinen genauen Aufenthaltsort. Er durfte ihnen lediglich mitteilen, dass er sich »irgendwo in Frankreich« befand. Manchmal kam nur eine Feldpostkarte, eine vorgedruckte Karte mit allgemeinen Aussagen wie
Es geht mir gut
oder
Ich bin im Lazarett
. Sie wurden während der Schlachten benutzt, um zu vermeiden, dass die Soldaten Einzelheiten über ihren Standort preisgaben. Riley hatte immer das Nichtzutreffende gestrichen und unterschrieben. Aber nicht einmal so etwas war in letzter Zeit eingetroffen.
»Ach, dein Bruder hat wahrscheinlich genug damit zu tun, es den Deutschen so richtig zu geben. Du hast ja gehört, dass die alliierten Truppen die Hindenburglinie durchbrochen haben. Bei Gott, ich wünschte, ich wäre dabei.« Pop hatte ein Bollwerk aus Pfannkuchen und Eiern errichtet, das er nun mit einem Schwall Sirup flutete.
»Ich bin sicher, er schreibt, sobald er Gelegenheit dazu bekommt«, erwiderte Susannah bemüht zuversichtlich. »Wie geht’s der armen Amy? Sie hat furchtbar ausgesehen, als ich das letzte Mal bei ihr war.« Obwohl Susannah reichlich Arbeit hatte, fand sie immer noch Zeit, ab und zu im Krankenhaus auszuhelfen.
Cole bohrte seine Gabel in ein Spiegelei und beobachtete, wie das Eigelb auslief. Susannah war eine wunderbare Köchin, doch seit er von diesem vermaledeiten Telegramm erfahren hatte, war ihm der Appetit vergangen. »Sie kämpft. Aber wenn ich sie besuche, nimmt sie mich gar nicht wahr.«
»Und Jessica und dir?«
Sein Kopf fuhr hoch. Warum nannte sie Jessica und ihn in einem Atemzug?, fragte er sich. »Sie – na ja, sie ist erschöpft. Sie macht sich Sorgen um ihre Schwester. Was glaubst du, wie es ihr geht?« Was konnte er ihr schon über Jess erzählen? Dass sie schön war und verführerisch und anmutig und was ihm sonst noch an unzureichenden Beschreibungen einfiel, wenn er an sie dachte, wohl kaum. »Und was mich betrifft, ich bin in einer ähnlichen Verfassung wie du«, schloss er heftig.
Sie biss sich auf die Lippe und senkte den Blick auf ihren Teller. Er fühlte sich mies, weil er sie so angefahren hatte, aber er brachte auch keine Entschuldigung über die Lippen. Letzte Nacht hatte er kaum geschlafen, sich hin- und hergewälzt und Löcher in die Zimmerdecke gestarrt. Als er endlich in einen unruhigen Schlummer gefallen war, hatte er die Bettdecke so fest um sich herumgewickelt, als wäre er eine der Leichen, die auf Fred Hustads Dienste warteten. Schweißgebadet und fröstelnd war er aufgewacht, und sein Herz hatte gewummert wie die Basstrommel der Schulkapelle.
Ein kurzes, verlegenes Schweigen entstand, unterbrochen von Pop, der über irgendetwas schwadronierte, dem Cole keine Beachtung schenkte.
Ihm ging das Telegramm nicht aus dem Kopf. Er musste unbedingt herausfinden, wer es aufgegeben hatte, musste wissen, wer einen Keil zwischen ihn und Jess hatte treiben wollen.
Als Susannah anfing, den Tisch abzuräumen, hievte sich Pop mit einem dramatischen Stöhnen halb aus seinem Stuhl. »Himmel, meine Knie sind steifer als ein neues Paar Jeans.«
»Warte mal kurz, Pop«, sagte Cole und horchte auf die Schritte seiner Schwägerin, bis sie sich in Richtung Küche entfernt hatten. »Ich möchte etwas mit dir besprechen.«
Der alte Mann ließ sich in den Stuhl zurückfallen. »Was denn? Macht dir die Stute mit der Druse immer noch Sorgen?«
»Nein, ihr geht’s besser.«
»Das hoffe ich. Schließlich ist sie eine unserer besten Zuchtstuten. Die Entzündung im Kiefer ist lebensgefährlich.«
Daran brauchte Cole nicht erinnert zu werden. Eine Weile hatten die Symptome des Pferdes so sehr den Grippesymptomen geähnelt, deren Zeuge er gewesen war, dass er sich schon gefragt hatte, ob sie wohl alle an derselben Krankheit sterben würden. »Sie bekommt immer noch Schonkost und warme Umschläge. Tanner pflegt sie.«
»Was ist dann?«
Es war schwieriger, als Cole gedacht hatte. »Pop, ich weiß, dass du dich nie mit der Idee anfreunden konntest, dass ich Jessica heirate.«
Sein Vater fixierte ihn und wiederholte sein schon so oft zitiertes Urteil. »Hübsches Ding, aber klüger, als gut für sie ist.«
Cole linste zur Küche und senkte die Stimme. »Hättest du – hast du jemals daran gedacht, dem Ganzen einen Riegel vorzuschieben?«
»Einen Riegel vorzuschieben? Junge, wovon redest du eigentlich?«
Cole wollte nicht
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