Heimkehr am Morgen (German Edition)
»Also gut.«
Sie schob ihren Stuhl zurück und stand auf. Während sie dem Flur zustrebten, glaubte sie seine heiße Hand an ihrer Taille zu spüren, obwohl er sie nicht wirklich berührte.
Er hielt ihr die Tür auf und nahm den Mundschutz ab. Sie standen an der Treppe, die Oktoberluft roch nach totem Laub und Holzfeuer. Sie zog ebenfalls den Mundschutz ab und wartete darauf, dass er etwas sagte.
Adam ergriff ihre Hand, und sie kämpfte den Drang nieder, sie ihm wieder zu entreißen. »Ich möchte mich bei dir für gestern Abend entschuldigen.«
Eine Krähe ließ sich wie ein pechschwarzer Unglücksbote mit lautem Krächzen auf einem Baum in der Nähe nieder. Jessica kam in den Sinn, wie ähnlich sich der Vogel und Adam waren – dunkel und bedrohlich.
Sie runzelte leicht die Stirn. »Weswegen?«
»Ich hätte nicht zulassen dürfen, dass Cole Braddock dich nach Hause begleitet. Es war unschicklich, wo Amy doch krank ist und wegen der Verlobungen und allem.«
Jessica betrachtete ihn mit schmalen Augen, und alles, was sie schon immer an ihm verabscheut hatte, schoss ihr wieder in den Kopf. »Es war nichts Unschickliches dabei. Ich war müde und besorgt, er hat es mir angeboten, und ich habe angenommen. Und von welchen
Verlobungen
redest du da überhaupt?«
»Ihre natürlich. Und ich habe dich gebeten, meine Frau zu werden. Da kannst du nicht einfach ohne Begleitung in Braddocks Wagen herumfahren, wie sieht das denn aus. Eigentlich hätte ich dich heimbringen sollen.«
Nun entzog sie ihm ihre Hand. Sein unverfrorenes besitzergreifendes Getue gepaart mit engstirnigem, provinziellem Denken verblüfften sie. »Ich habe deinen Antrag nicht angenommen, Adam.«
»Aber wir sind so gut wie verlobt.«
Sie trat zwei Schritte zurück. »Nein, das sind wir nicht! So sehr ich mich über deine Geschenke gefreut habe, aber ein Armvoll Blumen und eine Pralinenschachtel machen noch keine Verlobung. Zumindest nicht hierzulande.«
Sein Hals färbte sich leuchtend rot wie ein Hahnenkamm. »Aha. Du willst natürlich einen Ring.«
Verärgert, dass er ihre Antwort so falsch interpretierte, zischte sie: »Ich will keinen Ring. Ich will überhaupt nichts von dir.«
Er zuckte zusammen, als hätte sie ihm ein Schimpfwort ins Gesicht geschleudert. »Ich kann dir das Leben leichter machen, Jessica.« Er richtete sich zu seiner vollen Größe auf. »Und«, fügte er hinzu, »anderen schwerer. Ich habe einflussreiche Verbindungen.«
Sie zog die Augenbrauen in die Höhe und hatte Mühe, nicht loszulachen. »Wirst du Gott bitten, Kröten auf mich herabregnenzu lassen oder mich mit einem Blitz niederzustrecken, wenn ich nicht einwillige? Also wirklich, Adam …«
»Das meine ich nicht.«
»Was meinst du dann?«
»In letzter Zeit hat Cole Braddock, sagen wir mal, eher negative Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Aufmerksamkeit, für die sich die Obrigkeit interessieren dürfte.«
Plötzlich spürte Jessica einen Bleiklumpen in ihrem Magen. Würde Adam wirklich so tief sinken, Cole dem Zorn der American Protective League preiszugeben? Und weswegen? Ihre Stimme wurde eisig. »Soll das eine Drohung sein,
Reverend
Jacobsen? Denn falls ja, verbitte ich mir das. Würdest du Susannah, Cole und Shaw wegen etwas, das nur uns beide betrifft, büßen lassen? Und was ist mit Amy? Hast du sie dabei ganz vergessen?«
Einen Moment war ihm der Wind aus den Segeln genommen, als er das Dilemma erkannte, in das er sich hineinmanövriert hatte. »Nein … nein, natürlich nicht.«
Angst und Wut brachten ihr Blut in Wallung. »Die Arbeit wartet. Dein ›Augenblick‹ ist vorbei, Adam.« Sie wandte sich um und riss die Tür auf.
»Warte, Jessica.« Er packte sie am Arm.
Sie blickte vielsagend auf seine Hand und wollte nur noch weg von ihm.
Er ließ sie los.
»Es tut mir leid. Bitte sei nicht böse. Lass uns … lass uns nicht so auseinandergehen.«
Ihre Hand lag auf dem Türgriff. »Wie – so? Wir haben uns nichts mehr zu sagen.«
Auf seiner Stirn glänzte ein dünner Schweißfilm. »Jessica, bitte. Ich habe dir einen ehrenwerten und aufrichtigen Heiratsantrag gemacht. Der Zeitpunkt ist nicht der beste, aber könntest du mir denn nicht wenigstens eine Antwort geben?«
Sie schloss die Tür wieder und verschränkte die Arme vor der Brust. »Adam, warum willst du mich heiraten? Ich gehöre nicht zu der Sorte Frauen, die du dir als Ehefrau erwählen solltest. Kannstdu dir wirklich vorstellen, dass ich einen Kuchenverkauf oder einen
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