Heimkehr am Morgen (German Edition)
auf ihm liegen konnte. »Mehr, als ich es mir erträumt habe. Und ich habe oft davon geträumt.«
»Ich auch. Ich konnte nicht anders, ich liebe dich nämlich.«
Sie streichelte seine Wange. »Nicht so wie ich dich.«
Kapitel 18
Jessica lag wach im Bett, den Kopf an Coles Schulter geschmiegt, ein Bein um sein Bein geschlungen. Sie hatte das Gefühl, ihm endlich erklären zu können, warum sie ihre Stelle aufgegeben hatte, die sie letzten Endes so viel gekostet hatte.
»Mir wurde schließlich klar, dass ich im Leben dieser Menschen nicht viel bewirken konnte. Ich flickte immer wieder dieselben zusammen, falls sie noch am Leben waren, und kämpfte bei anderen mit stets den gleichen Problemen.« Sie hatten sich noch einmal geliebt und waren dann, erschöpft und zufrieden, in einen tiefen Schlaf gesunken. Jetzt war der Zauber ihrer gemeinsamen Nacht fast zu Ende. Die Uhr im Wohnzimmer schlug halb sieben. »Es war ganz egal, wie hart ich arbeitete oder wie sehr ich mich anstrengte. Es gab so viele Faktoren, gegenüber denen ich machtlos war. Zuerst dachte ich, ich könnte nicht gehen. Aber dann wurde mir klar, dass ich trotz allem nicht bleiben konnte. Ich hatte keine Freude mehr an meiner Arbeit. Nur das Gefühl, dass alles so erbärmlich sinnlos war. Also bin ich wohl einfach weggelaufen.« Sie erzählte ihm von ihrem Monat in Saratoga Springs und ihrer selbstauferlegten Abschottung von der Welt.
»Und jetzt? Du hast ja wohl nicht immer noch vor, nach Seattle zu gehen, oder?« Zärtlich streichelte er ihren nackten Arm und spielte mit ihren Fingern, die auf seiner Brust lagen.
Sie drehte ihr Gesicht zum Fenster. »Ich wage nicht, weiter als einen Tag vorauszudenken. Meine Aufgabe hier, die Verantwortung für diese Stadt, ist noch unkalkulierbarer als meine Arbeit im Osten. Damals wusste ich wenigstens, dass ich gegen Ignoranz und Unmenschlichkeit ankämpfe. Hier habe ich es mit einem unbekannten Feind zu tun, einem Mysterium.«
Mit quälendem Widerwillen löste sie sich aus der Wärme seiner Arme, setzte sich auf und hockte sich auf die Bettkante.
»Jess, warte. Geh noch nicht.« Das Bett war zu klein für ihn, und trotzdem wirkte er darin am rechten Platz. In ihrer Fantasie konnte sie sich leicht vorstellen, wie er jede Nacht dort verbrachte, und wie sie jeden Morgen neben ihm aufwachte. Als sie ihn im spärlichen Licht der Morgendämmerung dort liegen sah, seinen muskulösen Körper, das lange Haar zerzaust, fand sie ihn begehrenswerter und anziehender denn je.
Sie seufzte. »Ich muss ins Krankenhaus. Ich habe zu arbeiten. Solang die Epidemie anhält und ich die einzige Ärztin hier bin, werde ich weiterhin Überstunden machen. Selbst wenn die Zahl der Neuinfizierten jetzt sinkt, ist mein Kampf noch nicht zu Ende. Und die Lage könnte sich jederzeit wieder verschlimmern.«
Er setzte sich ebenfalls auf und begann sich anzuziehen. »Ich mache mich besser auch auf den Weg. Wir müssen eine Herde, die morgen Abend auf den Zug verladen wird, zusammentreiben. Kommst du danach auf die Ranch zum Essen?«
Sie erstarrte, einen Arm in der Bluse, die sie aus dem Schrank gezogen hatte. »Das ist keine gute Idee, Cole. Noch nicht. Über kurz oder lang muss Amy sich mit den Folgen ihrer Handlungen auseinandersetzen, und du musst ihr sagen, warum du eure Beziehung beendest. Aber jetzt wäre das noch zu viel für sie.« Und Jessica war sich nicht sicher, ob sie selbst schon bereit für das war, was danach kommen würde.
Er starrte einen Moment auf den Bettpfosten. »Ja, ja, ich weiß«, räumte er ein. Vor dem Spiegel der Kommode kämmte er sich mit beiden Händen das Haar zurück. »Aber ich kann dich wenigstens zur Schule bringen.«
»Da sage ich nicht nein«, meinte sie lächelnd. Nachdem sie sich in dem kleinen Badezimmer gewaschen und die Zähne geputzt hatte, borgte er sich von ihr Colgate-Zahnpulver und benutzte einen Finger als Zahnbürste.
Sie holte noch ihre schwarze Ledertasche aus dem Wohnzimmer, dann gingen sie nach unten. Cole half ihr in den Mantel, bevor er seine Jacke und seinen Hut vom Garderobenständer nahm. Gemeinsam traten sie ins Morgenlicht hinaus und blieben kurz auf der kleinen Veranda stehen. Die Stadt war ruhig, weicher Nebel hing in der Luft. Die letzten braunen Blätter lagen nass und verwelkt im Rinnstein, und kein Vogel zwitscherte. Auf der Straße war noch kein Verkehr, aber in diesen Tagen war selbst um die Mittagszeit kaum etwas los.
Cole fasste Jessica sanft am Kinn und zog sie zu
Weitere Kostenlose Bücher