Heimkehr am Morgen (German Edition)
sich heran. »Wenn ich dich absetze, kann ich das hier nicht mehr tun. Stell dir bloß vor, was die Krankenschwestern sagen würden.« Als er sie küsste, so leidenschaftlich wie in der Nacht zuvor, bröckelte ihr Vorsatz, an ihren Beruf zu denken und bei ihrer Beziehung zu Cole nicht ihre persönlichen Prinzipien zu vergessen. Sein warmer Atem strich ihr übers Gesicht, und sie hätte den ganzen Morgen so dastehen und sich von ihm küssen lassen können. Der Funke purer Freude, den er letzte Nacht in ihrem Herzen entfacht hatte – zum ersten Mal seit langer Zeit – brannte ein wenig höher und heller.
Als er von ihr abließ, blickte sie in seine blauen Augen und sah darin dieselbe lodernde Flamme. Er war so unwiderstehlich.
»Verdammt, Dr. Layton, wir sollten besser gehen, bevor ich es mir noch anders überlege und dich wieder nach oben bringe.«
Sie lachte. »Du meinst, schwänzen? Das habe ich noch nie gemacht.«
»Vielleicht solltest du mal damit anfangen«, erwiderte er. Bei einem kurzen Blick nach unten merkte er, dass ihm ein Hemdzipfelaus der Hose hing, und er stopfte ihn hinein. Jessica ertappte sich bei dem ziemlich undamenhaften Wunsch, sie könnte ebenfalls so in seine Hose greifen.
Sie gingen zu dem taubenetzten Lastwagen, der im Hof der Schmiede nebenan abgestellt war. Als er im Begriff war, ihr in den Wagen zu helfen, hörte sie eine Männerstimme.
»Unzuchtsünder.
Schämt
ihr euch denn nicht?«
Jess zuckte zusammen und sah zu ihrer Überraschung, wie Adam Jacobsen auf sie zukam. Seine Kleider waren zerknittert, was gar nicht seiner sonst so adretten Aufmachung entsprach. Wo kam er denn auf einmal her?
Cole neben ihr erstarrte wie ein Wolf bei der Begegnung mit einem Feind. »Was zum Teufel willst du, Jacobsen? Und warum schnüffelst du ständig überall herum und mischst dich in alles ein, anstatt dich um deine eigenen Angelegenheiten zu kümmern?«
Adam gab keine Antwort auf seine Fragen, sondern musterte beide mit abschätziger Selbstgerechtigkeit von Kopf bis Fuß. Das Haar stand ihm vom Kopf ab, und dunkle Schatten betonten den glühenden Zorn in seinen Augen. »So tief zu sinken. Ich hätte wissen müssen, dass deine niederen Instinkte irgendwann wieder zum Vorschein kommen.« Er funkelte Jessica an. »Mit dem Mann Unzucht zu treiben, der mit deiner Schwester verlobt ist.« Seine melodramatische Art zu reden erinnerte Jess an seinen Vater in dessen fanatischsten Momenten auf der Kanzel. Aber die hässliche Konfrontation ließ ihre Hände und ihren Magen zu Eis werden.
»Pass bloß auf, was du sagst, Jacobsen. Du versteigst dich da in eine Behauptung, die du nicht beweisen kannst. Verschwinde, oder ich mache dir Beine«, warnte ihn Cole.
»Und
du
«, geiferte Adam weiter und zeigte dabei auf Cole. »Jetzt in diesem Moment liegt Amy, eine anständige Frau mit gutem Charakter, ein leuchtendes Beispiel der Moral in dieser Gemeinde, hilflos im Krankenbett, und so zahlst du ihr ihr Vertrauen und ihre Zuneigung zurück?«
Cole schlug Adams Zeigefinger zur Seite. »Zeig nicht mit dem Finger auf mich. Und kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten«,wiederholte er. »Du weißt nicht, wovon du redest. Wenn du nicht gehst, vergesse ich die Bibel, hinter der du dich versteckst, und verpasse dir einen Tritt in den Hintern.« Er näherte sich Adam und schubste ihn mit der Schulter, sodass dieser einen Satz rückwärts machte.
Adams verzerrtes Gesicht leuchtete hochrot wie ein entzündeter Furunkel. Erneut trat er vor, seine Stimme zitterte vor Wut. »Wage nicht, mir zu drohen! Ich werde persönlich dafür sorgen, dass sich keiner von euch beiden jemals wieder mit erhobenem Kopf in dieser Stadt sehen lassen kann!«
Jessica, die sein Benehmen irritierte, erwartete fast, dass ihm gleich der Schaum vor den Mund treten würde.
»Wenn ich daran denke, dass ich dir einen Heiratsantrag gemacht habe. Du bist nichts weiter als ein studiertes Flittchen!«
Bei dieser giftigen Beleidigung keuchte Jessica auf.
»Du elender Mistkerl!« Cole packte Adam mit einer Hand am Revers und holte mit der anderen zum Schlag aus, als Jess ihn am Arm fasste. Er hatte sein ganzes Gewicht in den Schlag gelegt, aber Jess konnte die Bahn der Faust ablenken.
»Nicht, Cole. Er ist es nicht wert!«
Adam entwand sich Coles Griff und brachte sich mit ein paar Schritten in Sicherheit, die Augen fanatisch glänzend. »Wartet nur ab!« Er drehte sich um und marschierte im Eiltempo in Richtung seines Hauses. Ein- oder
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