Heimkehr der Vorfahren
Der Wagen hob sich und setzte sich weich in Bewegung. Lautlos glitt er über die unterirdische Straße und suchte sich, ähnlich dem Ruf des Telefons, über die Leiteinrichtungen der Unterflurrelaisstationen den vorbestimmten Weg. Er hatte weder Räder noch Motor.
Während die Schwebekabine den lichtflutenden Straßenstollen durchraste, wandte Maro seinen Drehsessel zur Seite und öffnete einen kleinen Wandschrank. Die Kabine bot mit ihren verstellbaren Polstersesseln, einem runden Tisch, Fernsehen und Bildtelefon so viel Komfort, daß selbst längere Fahrten in einem solchen Wagen nicht ermüdend wirkten.
Vena machte es sich in ihrem Sessel bequem und beobachtete Maro, der aus dem Schrank zwei Gläser und eine Flasche genommen hatte und nun einschenkte. Außer seinen grauen Schläfen wies nichts darauf hin, daß er bereits achtundsechzig war, fand sie. Man konnte ihn für einen passionierten Sportsmann halten, nicht mehr ganz jung, aber voller Kraft und Ausdauer. Um so mehr verblüffte seine Gelassenheit.
Seine stärkste Seite war es, daß er sich über sich selber lustig zu machen vermochte; denn er verstand es, sich mit den Augen anderer zu betrachten. Das bewahrte ihn davor, sich zu überschätzen.
Er hatte sich als Historiker auf die Technik des einundzwanzigsten und zweiundzwanzigsten Jahrhunderts spezialisiert und kannte sich auch auf mehreren Gebieten der modernen Technik aus. Außerdem besaß er, nicht zuletzt wegen seines ausdrucksstarken Mienenspiels, einen Namen als Schauspieler.
Vena bewunderte seine Vielseitigkeit. Zwar war es nicht ungewöhnlich, daß man sich musisch betätigte, ging doch jeder neben seinem Beruf noch anderen Neigungen nach, aber sich als Historiker und Schauspieler einen Namen zu machen, das war nicht alltäglich. Vena selbst beschäftigte sich in Mußestunden mit Bildhauerei, hatte allerdings keine gründliche Ausbildung aufzuweisen. Ihr genügte es, wenn sie sich selbst erfreute.
»Auf die Skeptikerin!« sagte Maro und hob das Glas. »Wir spielen mit verteilten Rollen. Ich bringe die offiziellen Fakten vor, du bezweifelst alles – klar? Also: Im Jahre zweitausendeinhundertundsiebenundsechzig stürzt eine Rakete ab, die einwandfrei von der Kosmos kommt, und wird zerstört. Man findet Tagebuchnotizen, die darauf hinweisen, daß die Kosmos-Expedition einer atomaren Katastrophe zum Opfer fiel.«
»Weisen die Notizen wirklich darauf hin?« fragte Vena. Daran hatten sie noch nicht gerüttelt. Sie sahen sich verblüfft an.
»Das müssen wir prüfen!« rief Vena erregt. »Wir haben keine andere Deutung versucht.«
Maro blätterte in den Unterlagen. »Der Text des Tagebuchs ist verstümmelt. Er mußte sinngemäß ergänzt werden. Originaltext und Ergänzung lauten zusammen so: (Die T)itanen verla(ngen) von uns, d(aß w)ir den (Pl)aneten verlassen). Da (wir u)ns weig(ern), w(erden di)e Bezi(ehungen) im(mer g)espannter.«
»Halt!« rief Vena. »Warum weigerte sich die Expedition, den Planeten zu verlassen, wenn es die Bewohner verlangten?«
»Hör erst den ganzen Text«, sagte Maro und las weiter: »Aber Lazzarri und Janse(n sind u)nauffindbar w(ir werd)en nicht ohne sie starte(n. Sie haben J)ansen getöte(t, weil er d)as Antiteilchengeh(eimn)is nicht verra(ten wol)lte. Lazzarris Schicks(al bleibt u)ngewiß. (Soeben) melde(t) di(e Ko)smos fremde Raumschiff(e. Die Titanen)…«
»Wieso fremde Raumschiffe?« fragte Vena. »Hätte der Chronist nicht titanische schreiben müssen?«
Maro zuckte mit den Schultern. »Die Titanen«, wiederholte er, »warn(en v)or einem Atomra(kete)nangriff, den d(ie Raumschiffe auf die T)itanen unternehmen woll(en. Aber nun ist der S)tart nicht me(hr möglich, wir teilen das Schicksal La)zzarri(s. De)r Angriff be(ginnt), die Raumschiffe greifen an. Die Angriffslust der (Raumschiffe wird a)us (dem Plan)eten Titanus ei(ne ne)ue Sonne (machen).«
Vena schüttelte den Kopf. »Ist es logisch, daß jemand vor einem Atomraketenangriff seinem Tagebuch derart weitgehende Hypothesen anvertraut? Der Verfasser wußte also schon vorher, daß die Atomexplosionen den Planeten in einen Feuerball verwandeln würden?«
»Schon möglich, wenn die Explosionen von vernichtender Wirkung waren.«
»Schreibt man dann noch Tagebuchnotizen? Nein«, sagte Vena, »der Chronist berichtete hinterher. Anders kann es nicht sein.«
Maro lächelte über ihren Eifer. »Gesetzt den Fall, du hättest recht, wie würdest du dann die Notizen auslegen?«
»Vielleicht kamen die fremden Raumschiffe von
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