Heimkehr der Vorfahren
Überhaupt, was wir als selbstverständliche Offenheit empfinden, scheint ihnen teilweise taktlos vorzukommen – was uns verletzt, ist für sie nicht unbedingt betrüblich. Wenn ich raten darf, Vena Rendhoff, seien Sie behutsam!«
Vena versagte sich die Frage nach Beispielen. Sie wurde ungeduldig. »Gehen wir!« sagte sie und trat zur Tür.
XI
Nasarow, Romain, Canterville und Stafford warteten im Klubraum auf die Frau, die von den irdischen Behörden bestimmt worden war, ihnen das Eingewöhnen zu erleichtern.
Romain hing seinen Gedanken nach. Es war nicht einfach gewesen, die unterschiedlichen Auffassungen der Genossen unter einen Hut zu bringen und einen optimalen Plan aufzustellen, wie die riesige Ausbeute der Expedition ausgewertet, jedes Besatzungsmitglied in Kurzlehrgängen an den heutigen Wissensstand herangebracht und ihnen allen dennoch ein Höchstmaß an Bewegungsfreiheit ermöglicht werden konnte.
Würde die Vorsitzende der irdischen Kommission den Plan billigen? Wurden sie überhaupt als gleichberechtigte Bürger anerkannt? Sie kamen als kleine Gemeinschaft in eine große und mußten sich zwangsläufig anpassen, sogar unterordnen.
Seine Gedanken schweiften ab. Wer war diese Vorsitzende, wie sah sie aus? Wie die Chefärztin – oder wie das Mädchen, das sie auf dem Bildschirm begrüßt hatte? Obwohl er sich deshalb selbst belächelte, er dachte oft an sie.
»Ich werde viel reisen.« Das war Cantervilles Stimme.
»Sport treiben… Es muß schön sein, zu gehen, wohin man will, mit charmanten Frauen zu sprechen, zu flirten.«
»Ein befriedigender Lebensinhalt«, sagte Nasarow mit ungewohntem Spott.
Romain horchte auf. Begann der Streit von neuem?
»Aktivierung der Kräfte, Regenerierung des Lebensgefühls, mehr nicht«, sagte Canterville. »Ich will wieder raumfahren, also werde ich studieren müssen. Aber vorher… Denk an das Mädchen vom Bildschirm. Nicht einmal dich hat sie kaltgelassen.«
Romain wandte sich ab, ärgerlich über eine sekundenlange Beklemmung.
»Denke lieber an die wissenschaftliche Ausbeute unserer Expedition«, sagte Nasarow unwirsch.
Canterville kam zu keiner Antwort.
Der Kommandant der Station öffnete die Tür. Eine Frau trat herein. Sie war schlank und hochgewachsen, aber nicht so groß wie die Chefärztin. Sie trug einen graublauen Overall, auf dessen rechter Brustseite eine geflügelte Rakete gestickt war. Darunter leuchtete in geschwungenen Goldbuchstaben das Wort KOSMOS. Die Männer fuhren von den Sesseln auf. Romain erstarrte.
Das Mädchen vom Bildschirm!
Sie kam auf die Männer zu. »Ich heiße Vena Rendhoff und bin dafür verantwortlich, daß Sie sich schnell bei uns einleben. Guten Tag, Genosse Nasarow, Genosse Romain, Genosse Stafford! Guten Tag, Genosse…« Sie streckte Canterville die Hand hin und zögerte.
Canterville verbeugte sich korrekt und nannte seinen Namen.
»Ah, der Chefastronaut«, sagte sie und drückte ihm herzlich die Hand.
Romain war wie benommen! Er fühlte sich gehemmt und beflügelt zugleich und konnte den Blick nicht von ihr lösen. Das Mädchen vom Bildschirm! Er beneidete Canterville, der mit dem Mädchen plauderte, als kenne er sie seit Jahren, um seine Gelassenheit. Er war nicht fähig, einen klaren Gedanken zu fassen oder dem Gespräch zu folgen. Das Mädchen vom Bildschirm! Er schüttelte unbewußt den Kopf.
»Sie sind anderer Meinung, Genosse Romain?« fragte Vena verwundert.
Romain sah sie betroffen an. Wenn er nur wüßte, wovon Canterville eben gesprochen hatte. Er warf Nasarow einen hilfesuchenden Blick zu.
In dessen Augenwinkeln blitzte Verständnis auf. »Genosse Romain bezweifelt, daß es sinnvoll ist, von hier aus mit dem Teleskop Industrieprojekte zu betrachten«, sagte er schnell.
»Wir könnten ja doch nur die Gebäude sehen«, fügte Romain erleichtert hinzu. In Gedanken drückte er dem Freund die Hand. »Aber vielleicht könnten Sie uns Filme von Produktionsanlagen heraufschicken?«
»Gern«, sagte Vena. »Doch auch planmäßige Fernsehexkursionen, wie sie Genosse Canterville vorschlug, sind zweckmäßig; ein großer Teil unserer Produktionsstraßen befindet sich unter freiem Himmel oder unter durchsichtigen Glashauben.«
»Wir könnten uns so einen groben Überblick verschaffen«, brachte sich Canterville wieder ins Gespräch, »und unseren Anpassungsplan von vornherein konkretisieren.«
Romain lächelte verstohlen. Canterville ging es doch nur darum, die Kurzlehrgänge sobald wie möglich hinter sich zu bringen!
Die
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