Heimkehr der Vorfahren
Exponate, die uns noch unbekannt waren. Auch Stoffe, Färbeverfahren, Veredlungstechniken. Zehntausende von Gegenständen des täglichen Lebens, aber auch der Technik, der Medizin, der Kunst. Fünfzigtausend Konstruktionsunterlagen: Millionen Mikrokopien wissenschaftlicher Forschungsunterlagen…« Er breitete die Arme aus und ließ sie fallen. »Ich könnte stundenlang erzählen. Allein der Katalog dieser Dinge umfaßt zweitausendeinhundertvierundsiebzig dicke Bände und hat uns Jahre beschäftigt.«
Vena saß wie benommen. Damit hatte keiner gerechnet. Sie mußte sofort den irdischen Rat verständigen. Welcher Berg von Arbeit für Tausende von Wissenschaftlern, was mußte alles vorbereitet werden! Auch der Transport auf die Erde, die Unterbringung des Materials…
»Außerdem bringen wir mehr als sechstausend Kilometer Film mit«, sagte Nasarow, »der noch kommentiert werden muß; wir haben für Jahre zu tun.«
Vena entsann sich auf einmal des Gesprächs mit Stafford über den Verzögerungseffekt. Sie erschrak. »Könnte ich mal einen Band des Kataloges sehen?«
Nasarow erhob sich, nahm ein dickes Buch aus einem der Wandschränke und reichte es ihr. »Es ist der letzte Band, wir haben ihn erst hier vollendet. Deshalb ist es auch der einzige, den ich Ihnen geben kann. Die anderen befinden sich auf der Kosmos.«
Vena schlug das Buch auf und blätterte darin. Es war ein Band über titanische Wissenschaften. »Kynetoklaripolose« las sie darin und »Polypresizylagie«. Sie stöhnte unwillkürlich: Heimkehrer und Neumenschen verstanden einander nicht, obwohl sie die gleiche Sprache verwendeten!
»Woher stammen ihre Bezeichnungen?« fragte sie. »Es sind keine irdischen Begriffe.«
»Zum Teil sind sie titanischen Ursprungs, zum Teil aber entstanden sie während der Katalogisierung – wir mußten uns doch verständigen können«, erwiderte Nasarow. »Zudem haben wir während des langen Fluges natürlich neue Erkenntnisse gewonnen, die bezeichnet werden mußten.«
Vena streifte ihre Schwäche ab. Man mußte den Dingen ins Auge sehen! »Auf der Erde spricht man inzwischen eine andere Sprache. Die wissenschaftlich-technische Entwicklung brachte völlig neue Erkenntnisse und damit neue Begriffe mit sich. Sie werden sich mit Ihren Fachkollegen kaum noch verständigen können.«
»Dann müssen wir eben allein auswerten«, fiel Wang Yunchieh, der Chefchemiker, ein.
Romain schüttelte den Kopf. »Eine Frage, mein Lieber: Für wen werten wir aus? Für die Zeitgenossen! Für die heutige Menschheit, für deren Fortschritt – sonst wäre unsere Reise sinnlos gewesen. Also müssen wir mit ihnen zusammenarbeiten, das heißt ihre Sprache sprechen, ihre Erkenntnisse besitzen, ihre Begriffe beherrschen.«
Vena nickte ihm dankbar zu. »Es gibt einen Ausweg. Gestatten Sie mir, daß ich Ihnen unser Programm erläutere. Wir schlagen Ihnen ein einjähriges Grundlagenstudium vor. Während dieser Zeit würden Sie in einem Internat wohnen. Schon dann könnte die Zusammenarbeit beginnen. Für die Auswertung der wissenschaftlichen Ausbeute wäre allerdings noch ein zwei- oder dreijähriges Studium auf Ihrem Fachgebiet erforderlich.«
Die Gesichter der Männer verschlossen sich. Vena sah verwundert auf. Bisher hatte sie in jedem Augenpaar gelesen, daß sie die erste junge Frau war, der die Heimkehrer begegneten; teils verträumt, teils befangen hatte man sie angesehen. Und nun unverhüllte Ablehnung! Die Männer schienen ihr wieder ferngerückt, fremder als je. Begriffen sie denn nicht, daß das nötig war? Was erwarteten sie denn von der Erde?
Sie war froh, als sich Canterville an sie wandte. »Welche Fächer gehören denn zum Grundlagenstudium?«
»Chemietronik, Mathelogik, Intersprache, Geosophie, Biomatik, Hydrobiogenie, Historik, Kybernetik, Künste, Recht, Physikochemie, Physiophysik, Ultraphysik, Philosophie, Psychotronik, Sozionomie, Grundlagentechnik, Bedienungskunde für Kommunalgeräte, Verkehrsmittel und Versorgungsautomaten…«
Die Männer wurden unruhig; Vena unterbrach ihre Aufzählung.
»Sie sprachen von einem Internat, ich wäre für eine Erklärung dankbar«, sagte Canterville mit vorgetäuschtem Gleichmut.
Die Stille, die dieser Frage folgte, war beredet. Vena spürte die Welle von Argwohn und Mißbilligung, die ihr entgegenschlug, beinahe körperlich. Hatten die Männer denn geglaubt, sie könnten sich in alle Winde zerstreuen? Fürchteten sie, eingesperrt zu werden?
»Während Ihrer Abwesenheit änderte sich auch die
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