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Heimkehr der Vorfahren

Heimkehr der Vorfahren

Titel: Heimkehr der Vorfahren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eberhardt del'Antonio
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führen bis in jede Ecke, von Neu-Delhi über Lhasa – Ulan Bator nach Beringstadt, von New York über Bahamabrücke nach Havanna oder über Mexiko bis nach Feuerland City. Tokio ist angeschlossen und auch die Sundainseln. Lediglich der große Brückentrakt nach Australien ist noch im Bau.«
Romain schwirrte der Kopf von den vielen Namen, und es gelang ihm nicht gleich, ein entsprechendes Streckennetz zu erfassen.
»Die Wagen sind ja dreistöckig«, sagte Canterville fassungslos.
»Schwerlasttrakt«, erklärte der Beobachter. »Der Zug hat ein Reisegewicht von etwa zwanzig Megatonnen. Doppelspur von viereinhalb und acht Meter Weite. Einzelradaufhängung. Düsentriebwerk und Plasmaheizung. Die Wagen befördern Personen und Lasten.«
Canterville pfiff unwillkürlich. Er fragte nach der Geschwindigkeit.
»Fünfhundert Kilometer in der Stunde!«
Romain bedankte sich beim Beobachter. »Für heute genügt es.«
»Es war mir wirklich ein Vergnügen. Ich wünsche Ihnen eine angenehme Ruhe.«
Romain schaltete ab.
Nun machte Canterville seiner Erregung Luft. »Welche Probleme bei einer solchen Masse! Schienenreibung, Lagerung, Luftwiderstand… Ich werde mich hineinstürzen in dieses Leben. Dann lerne ich am schnellsten schwimmen.«
»Du kannst auch ertrinken, ehe du das Luftholen lernst«, sagte Romain bedächtig. »Bevor wir nicht das Bildungsniveau der Neuzeit erreicht haben, können wir nicht auf Entdekkungsreisen gehen. Begreifst du das?«
»No!« Canterville war aufgebracht. »Ich will nur vermeiden, daß wir uns blamieren. Begreift ihr das nicht?«
»Mit dem Hineinspringen blamierst du dich todsicher, weil du nämlich nicht schwimmen kannst. Tatsache ist – und das kann nicht anders sein –, daß wir zurückgeblieben sind. Diesen Rückstand schnellstens aufzuholen ist ganz einfach unsere Pflicht. Und nicht zuletzt lebensnotwendig. Was meinst du, Wassil?«
Nasarow musterte die beiden nachdenklich. »Natürlich haben wir die Pflicht, uns anzupassen. Wir haben doch einen Auftrag zu erfüllen – unsere Expedition! Und die ist erst dann beendet, wenn wir der neuen Gesellschaft die Ergebnisse der wissenschaftlichen Auswertung übergeben haben. Wer anders als wir sollte sie denn auswerten?«
»Ist doch alles schon katalogisiert, klassifiziert, analysiert«, wandte Canterville ein.
»Und so willst du es den heutigen Zeitgenossen vorsetzen – seht zu, wie ihr damit fertig werdet?« fragte Nasarow ärgerlich.
»Dafür genügen die Chefwissenschaftler der einzelnen Disziplinen – und die besonders daran Interessierten. Immerhin waren wir zehn Jahre eingesperrt.«
»Wenn wir unser Material für die Neuzeit aufbereiten wollen, müssen wir natürlich deren Niveau kennen«, sagte Romain. Er wandte sich an Canterville. »Und das heißt eben nicht Entdeckungsreisen, sondern Aneignung des Elementarwissens. Kurzlehrgänge über die heutige Gesellschaft, ihre Struktur, ihre ethischen Ansichten und Ergänzung unseres Spezialwissens nach dem neuesten Stand. Die Lehrgänge dauern sicherlich Monate, und das Fachstudium noch länger. Wir sind immerhin schon an die Vierzig. Jeder wird sich überlegen müssen, was er studiert, damit der Aufwand den Nutzen rechtfertigt.«
»Kann man das nur so sehen?« fragte Nasarow mißbilligend. »Lernen als Rechenexempel?«
Romain ereiferte sich. »Mit ewigen Studenten ist keinem gedient!«
Canterville gähnte diskret. »Eure prinzipielle Diskussion ist so ermunternd. Vielleicht machen wir die Rechnung ohne…« Er verstummte.
Die Chefärztin der Quarantänestation betrat den Raum.
Die Männer erhoben sich und verbeugten sich leicht. Sie gab jedem die Hand. Romain schätzte sie auf Mitte Fünfzig. Ihm fiel auf, daß sie ihnen mit respektvoller Höflichkeit begegnete.
»Verzeihen Sie, werte Genossen«, sagte die Ärztin unsicher, »wenn ich mir erlaube, Sie an die vorgeschriebene Nachtruhe zu erinnern.«
Romain war ihre Verlegenheit peinlich. Sie stand im seltsamen Widerspruch zu ihrer Erscheinung und ihrer Funktion. »Aber ich bitte Sie, Genossin Chefarzt, das ist doch Ihre Aufgabe!« beeilte er sich zu sagen. »Entschuldigen Sie, daß wir die Nachtruhe verkürzt haben, aber wir brennen darauf, die Erde kennenzulernen.«
Die Ärztin wehrte ab. »Ich habe in meinen fünfundneunzig Jahren schon manche Nacht durchwacht, darum geht es nicht. Aber der Schlaf ist notwendig für Sie.«
»Fünfundneunzig?« entfuhr es Canterville. »Sie scherzen!«
Die Ärztin lächelte ein wenig wehmütig, wie es schien. »Der

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