Heimkehr der Vorfahren
Anziehenderes als die vorüberfliegende Landschaft. Vena lächelte. Wollte er ihr Zeit lassen, sich zu sammeln? Es mußte schön sein, einen Menschen neben sich zu wissen, der so kompromißlos für einen eintrat.
»George«, sagte sie leise. »George, machen wir eine Rast – in der nächsten Stadt? Ein wenig Bewegung würde mir guttun.«
Romain drehte seinen Sessel herum und sah Vena an. Er wunderte sich nicht, daß sie nach einer Stunde Fahrt schon steife Beine hatte, er schlug auch nicht vor, am Straßenrand zu halten und dort auf und ab zu gehen. Er sah sie nur mit großen Augen prüfend an.
Vena fühlte sich versucht, ihm übers Haar zu streichen. Er war ihr vertrauter als zuvor. Ihr schien, als kenne sie ihn schon seit Jahren, als wäre er immer neben ihr gewesen. Die dreihundertfünfzig Jahre Zeitunterschied waren wie ausgewischt.
»Hoffentlich dauert es nicht mehr lange, bis wir da sind«, sagte Romain endlich. »Ich könnte etwas trinken.«
»Du brauchst nicht zu warten.« Vena drehte sich mit dem Sessel zum Wandschrank und öffnete die Tür. »Bitte! Nußmilch, Honigsekt, Sauerbrunnen, Äquatorwein, Algendestillat – tiefgekühlt oder angewärmt?«
Er lachte. »Etwas Erfrischendes, aber bitte tiefgekühlt. Ich habe mich vorhin heiß geredet.«
Sie füllte ihm ein Glas. »Es dampfte ordentlich. So kannte ich dich gar nicht.«
»Du meinst, es war unpassend in diesem Hause?«
»Ungewöhnlich. Man konnte direkt Angst bekommen.« »Vor mir?«
»Um dich!« erwiderte sie.
»Du – Angst um mich?«
»Ich bin doch deine Betreuerin, und wer sollte mich bei der nächsten Debatte herauspoltern?«
»So ist das nun«, sagte er. »Kosmischer Held – aber auf der Erde… Bin ich sehr ungeschickt?«
»Erwartest du ein Kompliment?«
»Nach der Ratsdebatte nicht…«
Vena lehnte sich zurück und seufzte. »Ratsdebatte – was ist da schon gewesen! Aber jetzt bist du ungeschickt, George, und nicht nur aus Unkenntnis der Gegenwart. Hat man früher die Frau, die man gern hatte, angeschwiegen?«
Er sah sie ungläubig an, schließlich lächelte er. »Du bist meine Betreuerin, du mußt mir sagen, wie man sich offenbart.«
»Es gibt viele Möglichkeiten«, erklärte sie. »So verschieden die Menschen, so verschieden auch ihr Bedürfnis, sich auszusprechen. Für dich, wart mal, laß mich überlegen.« Sie sah nachdenklich an ihm vorbei. »Für dich…? Mir fällt nichts ein, was zu dir paßt. Was du sagst, klingt gleich wie ein Ratserlaß.«
In diesem Augenblick hielt die Kabine an und sank langsam zu Boden. »Aussteigen!« rief Vena. »Wir sind da!«
Romain erblickte hinter dem Baumgürtel, der die Straße an beiden Seiten einschloß, einige Dächer. Er war überrascht, als Vena nach einigen Handgriffen am Armaturenbrett die Wagentür zuschob und der Wagen allein davonfuhr. Wollte sie hier übernachten? Sie bemerkte seinen verwunderten Blick und erklärte ihm, daß der Wagen in die hiesige Zentrale fahre.
Romain freute sich auf ungestörte gemeinsame Stunden. Vielleicht machten sie einen Stadtbummel. Erst jetzt entdeckte er, daß sie vor einem Bahnhof standen, und gewahrte eine gläserne Kuppel, die alles überspannte, auch den Bahnhof. »Ein Glasdach?« fragte er verwundert und blieb stehen. »Verschwende deine Gefühle nicht für die Kuppel, George, es gibt hier noch mehr zu bewundern.« Vena nahm seinen Arm und zog ihn zum Bahnhof.
Eigentlich war es gar kein Bahnhof; es fuhren keine Züge, obwohl es Bahnsteige gab. Hier endeten und begannen Rollwege, wie er sie schon kannte. Romain lächelte über seinen Irrtum.
Der Rollweg trug sie schnell dahin. Der Baumgürtel trat zurück. Zu beiden Seiten erhoben sich vielgestaltige Häuser: runde, halbrunde, sechseckige, viereckige, rechteckige Bauten – Glas und Schaumstoffe, Fenster und Loggien, Balkone und Terrassen. Häuser auf ebener Erde und Häuser auf geschwungenen Stützen, ihre Pastellfarben schmeichelten dem Auge und fügten sich harmonisch in das Grün der Anlagen. Vor ihnen erhob sich ein hohes Gebäude, der Rollweg hielt direkt darauf zu. Sie durchfuhren einen breiten Tunnel. Auf der anderen Seite des Gebäudes weitete sich jäh der Blick. Tief unter ihnen, in einem weiten Talkessel, lag die Stadt.
Der Rollweg schob sich zwischen Geländer mit laufenden Griffflächen, versetzte sich ineinander zur rollenden Treppe und glitt den Hang hinab. Er endete in einem Einschienenbahnhof.
Vena und Romain bestiegen den Zug und gingen zur hinteren geschlossenen Plattform.
Sie standen
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