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Heimkehr der Vorfahren

Heimkehr der Vorfahren

Titel: Heimkehr der Vorfahren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eberhardt del'Antonio
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dicht beieinander und blickten hinaus. Gern hätte er den Arm um ihre Schulter gelegt, fand aber nicht den Mut dazu. Deutlich wie nie zuvor wurde ihm bewußt, daß Vena größer war als er. Plötzlich kam ihm das komisch vor. Früher, entsann er sich, waren die Mädchen, mit denen er spazierenging, immer kleiner gewesen als er. Wollte Vena den Kopf an seine Schulter lehnen, müßte er auf eine. Leiter steigen. Seine Miene verfinsterte sich.
Vena ahnte, was ihn bewegte. Sie zog seinen Arm um ihre Hüfte und lächelte.
Die Einschienenbahn übersprang einen Fluß, glitt über Promenaden hinweg, flog an Wohnpalästen vorüber und huschte durch Häuser hindurch.
Im Zentrum der Stadt stiegen sie aus. Vena bat ihn, einen Moment zu warten, und verschwand in einem Magazin.
Als sie zurückkam, trug sie Schuhe mit flachen Absätzen.
»Jetzt scheint aber wieder die Sonne, ja?«
Sie hatte ihn also durchschaut. Aber wenn sie den Größenunterschied nicht ernst nahm – mußte er es dann? »Jetzt brauchte ich nicht mehr auf den Stuhl zu steigen, wenn ich dich küssen wollte.«
»Wie«, sagte sie erstaunt, »das könntest du?«
»Ich würde es versuchen, aber meine Betreuerin hat mir nie gesagt, ob das noch üblich ist!«
»Entschuldige bitte«, sagte sie, ganz Betreuerin, »es ist im Studienplan allgemein vorgesehen – in deinem persönlichen allerdings noch nicht. Man muß es unbedingt nachholen.«
»Worauf warten wir dann noch?« fragte er. »Brauchst du vielleicht Anschauungsmaterial?«
»Nein, aber einen Ort der ungestörten Konzentration.«
»Ach ja, die Leute!« Romain lachte befreit. »Jetzt fühle ich mich wieder zu Hause. Diese Angst kenne ich! Aber es wird schwerhalten, Vena, damals gab es noch stille Gäßchen, abgeschiedene Seitenstraßen – aber ihr baut ja nur noch Promenaden, Boulevards… Und über allem schwebt die Einschienenbahn!«
»Es gibt noch Parks«, flüsterte sie. Sie hatten es nicht eilig, gaben sich der Erwartung hin und dem gemeinsamen Schauen. Jetzt entdeckten sie auch die Menschen um sich herum, bemerkten die Blicke und die ehrfürchtigen Grüße für den Helden des Kosmos. Romain verspürte eine unbezwingliche Heiterkeit. Wenn ihr wüßtet, dachte er, was für ein Anfänger ich bin.
    Sie speisten in einem Automatenimbiß auf einer Plattform, die sich hoch über die Promenade erhob. Von hier aus hatten sie einen weiten Rundblick über die Stadt. Überall wurde das Bestreben sichtbar, gleichförmige Fassaden zu vermeiden. Galerien, Außentreppen, Durchgänge und vorspringende Plattformen lockerten die Front der Gebäude auf. Der Anblick war für Romain ungewöhnlich, aber er fand ihn anheimelnd. »Hier würde ich bleiben«, sagte er. »Es ist die modernste Städteversion«, sagte Vena stolz. »Aber vorerst müssen wir zurück in die Siedlung. Wir werden auch über Städtebau sprechen, wenn erst das große Programm anläuft.«
    »Ich habe doch Architektur und Städteplanung gar nicht im
    Studienplan gefunden?«
»Sie erscheinen unter dem Sammelbegriff Datenverarbei
tung. Die modernen Städte sind elektronisch errechnet; alle
Faktoren werden berücksichtigt.«
»Wir haben auch nicht gerade nach Handskizzen gebaut«,
warf er ein.
»Das war ein Anfang, George. Heute fließt in die Berechnung faktisch alles ein: Luftzustand, Lichtverhältnisse, Lärmpegel, Wärmehaushalt, Farbenwirkung, Hygiene, Pflanzenwachstum, ästhetische Forderungen… Ich kann das nicht alles aufzählen. Jedenfalls entstehen diese Städte nicht am Reiß
brett, sondern im Datenverarbeiter.«
»Aber das müßte doch nüchtern werden, schablonenhaft
und kalt! Dagegen diese Stadt…«
»Die ästhetische Seite wird ebenfalls berücksichtigt. Wie
wollte ein Reißbrettarchitekt alle Faktoren erfassen können?
Selbst wenn er es wollte, es übersteigt seine Leistungsfähigkeit.«
»Langsam graut mir vor dem Studium. Wie willst du uns
das alles so schnell eintrichtern?«
»Mach dir keine Sorgen, George, die Lernmethode hat sich
geändert. Gesetzmäßigkeiten, Formeln und dergleichen werden euch, sagen wir, in die Hirnrinde graviert. Mit künstlichen
Gehirnströmen, verstehst du? Wenn du erst Psychotronik gehabt hast, verstehst du es bestimmt. Gelernt wird lediglich
noch die Anwendung des Wissens. Man braucht den Überblick und die Kenntnis der Gesetzmäßigkeiten, um Zusammenhänge zu erkennen, und man muß wissen, woher man die
erforderlichen Fakten bekommt. Es wäre unmöglich, das Wissen auch nur einer Spezialrichtung eines Fachs

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