Heimkehr in den Palast der Liebe
sie hitzig.
"Es gibt mehrere Gründe." Sharif blieb ganz ruhig. "Einige sind dir bereits klar, einige noch nicht. Die, die dir klar sind, sollten dich eigentlich von deinen kleinen Ausflügen abhalten. Warum ist das nicht der Fall?"
Er hatte ja Recht, aber sie konnte einfach niemandem dieses unwiderstehliche Bedürfnis erklären, manchmal wieder wie Hani zu sein.
So lange hatte sie sich danach gesehnt, Shakira sein zu dürfen, dass sie selbst kaum verstehen konnte, weshalb dieses neue, gute Leben ihr manchmal so schwer fiel. Aber sie hatte einen so großen Teil ihres Lebens als Hani verbracht, dass es ihr manchmal vorkam, als könne dieser Teil nicht einfach für immer verbannt werden, nicht so, wie sie selbst und ihre Familie es erwarteten. Hani, das wurde ihr langsam klar, war ein Teil von Shakira. Und es gab manches an Hanis Leben, das ihr Spaß gemacht hatte: Ihren Verstand einsetzen zu müssen, um der Welt abzuringen, was sie brauchte, hatte ihrem Leben eine Würze gegeben, die sie in ihrem jetzigen Leben im Palast vermisste. Hier bekam sie alles umsonst, manchmal noch bevor sie selbst merkte, dass sie es brauchte oder wünschte.
Sie hätte nicht erklären können, warum sie hier war, aber sie konnte nicht anders.
Sharif lächelte in dem Versuch, sie zu besänftigen. "Woher hast du diese Verkleidung?"
Sie hob die Schultern. "Die habe ich einem der Jungen hier abgehandelt. Woher weißt du, dass ich hier bin?"
"Letzten Donnerstag habe ich dich zufällig entdeckt. Heute bin ich dir vom Palast gefolgt. Und gestern auch. Du bist zu leichtsinnig, Shakira. Das muss aufhören. Wenn dir schon deine eigene Sicherheit egal ist, denk wenigstens an deine Familie."
"Lass mich in Ruhe! Kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten, Sharif!"
Sie starrte ihn böse an, einerseits wütend, weil sie behandelt wurde, als ob sie ein schmutziges Geheimnis hätte, andererseits beschämt, weil es stimmte.
"Lass mich in Ruhe, du …!" rief sie, und bedachte ihn mit einem Schimpfwort, das aus ihrem Lagerwortschatz stammte, zu dem sie offenbar immer dann Zuflucht suchte, wenn sie sich in die Enge getrieben fühlte.
"Nein", zischte er. "Weder Ziegen noch Kamele." Und er verengte die Lider zu schmalen Schlitzen.
Sie bekam Angst, aber das machte sie erst recht widerspenstig. "Ach, wir sind ja so zivilisiert", erwiderte sie frech.
"Und ich dachte, du hättest wirklich etwas drauf, was Beleidigungen angeht. Hast du da nicht mehr zu bieten?"
"Wenn mich jemand wirklich herausfordert, vielleicht schon."
Er lächelte, ein gefährliches Lächeln, und Shakira spannte unwillkürlich alle Muskeln an.
"Wenn du wirklich der Junge wärst, für den du dich hältst, dann würde ich dir zeigen, wie gefährlich es ist, jemanden zu beleidigen, der größer und stärker ist als du. Pass nur auf – wenn du deine Rolle zu gut spielst, könnte ich mich vergessen."
Sie schnaubte verächtlich. "Glaubst du, ich weiß nicht, wie es ist, von hirnlosen Machos herumgeschubst zu werden? Versuch es nur, aber ich warne dich, ich habe noch nicht alles vergessen, was ich im Lager gelernt habe."
"Du hast überhaupt nichts davon verlernt, wie ich sehe!" gab Sharif zurück, und er war wütend über sich selbst, weil er die Beherrschung verloren hatte. "Was hast du hier verloren, kleine Närrin? Sehnst du dich nach der Hölle zurück, aus der du doch wegwolltest? Wünschst du dir, ich hätte dich dort gelassen?"
Genau das sagte ihr Gewissen auch, aber es von jemand anderem zu hören – und dann auch noch von Sharif – war mehr, als sie ertragen konnte.
"Vielleicht ja!" rief sie. "Vielleicht bin ich ja nicht gut genug! Was bin ich schon? Ich bin nichts! Ich bin es nicht wert, dass man sich um mich kümmert! Und wer hat dich darum gebeten? Ich nicht!"
Und dann, plötzlich, schluchzte sie auf. "Zuerst soll ich Shakira vergessen und Hani sein, dann soll ich Hani vergessen und Shakira sein! Immer soll ich vergessen, wer ich bin! Aber ich bin ein Mensch! Ich bin alles, was ich bin! Mein Leben, meine Geschichte – ich kann nicht so tun, als wäre ich nie gewesen, was ich doch war! Und was ich immer noch bin!"
Sharif blickte sich um. Die Leute um sie herum waren aufmerksam geworden.
"Ich verstehe dich", sagte er leise. "Aber manchmal müssen eben unangenehme Dinge gesagt und angehört werden. Du bist jetzt nicht mehr im Lager, allein und isoliert. Was immer du tust, hat Folgen, und zwar nicht nur für dich, Shakira, und es könnte sein …"
"Lass mich in
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