Heimkehr in den Palast der Liebe
Ruhe!" schrie sie, drehte sich um und war im nächsten Moment verschwunden.
Auf einmal war Shakira wütend, wirklich wütend, so als ob dieser Vorfall auf dem Basar etwas in ihr ausgelöst hätte, das sich nicht mehr besänftigen ließ. Wohl ein Dutzend Mal am Tag brach es aus ihr heraus, plötzlich, ohne Warnung, ohne Grund, und es verwirrte und erschütterte sie und machte allen um sie herum Angst.
Manchmal schob sie die Schuld dafür allein auf Sharif. Er war schuld, weil er sie dazu gebracht hatte, Hani zu verleugnen, so wie man sie früher gezwungen hatte, Shakira zu verleugnen. Und er glaubte wohl, über sie verfügen zu können, nur weil er sie gerettet hatte. Er glaubte wohl, ihr sagen zu können, was sie zu tun und zu lassen habe.
Das Schlimmste war, dass sie ihm offenbar überhaupt nicht entkommen konnte. War der Palast nicht riesig? Und doch begegnete sie Sharif ständig.
Er ließ sich jedoch niemals von ihren Zornausbrüchen beeindrucken. Ob sie über jemand anderen wütete oder über ihn, er sah sie immer nur schweigend an, bis sie sich plötzlich bewusst wurde, was sie da tat. Manchmal machte sie das noch wütender, manchmal aber auch beschämt.
"Du sollst doch endlich aufhören, mich auf Schritt und Tritt zu verfolgen!" fuhr sie ihn eines Tages an, als sie ihm im Garten begegnete.
Sharif zog die Brauen zusammen. "Prinzessin, selbst die Mitglieder der Königsfamilie haben die Pflicht, andere Menschen respektvoll zu behandeln."
"Ich nenne das respektlos, so wie du mich immer verfolgst. Wenn du das nicht tun würdest, würde ich dich nicht respektlos behandeln!"
Er stand vor ihr und sah sie sehr ernst an. Schließlich ließ ihr Zorn ein wenig nach, und sie schämte sich. Er war schließlich ein Tafelgefährte, ein Mann von Adel auf Grund seiner persönlichen Verdienste, und er hatte sie gefunden und gerettet.
Aber dann gewann ihr rebellischer Zorn wieder die Oberhand. "Es macht mich wütend, wenn jedes Mal, wenn ich mich umblicke, du da bist!"
"Aber dich macht zurzeit alles wütend, nicht wahr, Prinzessin?"
Am liebsten hätte sie sich auf ihn gestürzt, ihn gebissen und geboxt, so wie damals die Lagerwachleute, wenn die versuchten, sie zu schikanieren.
"Prinzessin, du gehst immer noch in Haniverkleidung zum Basar", stellte Sharif fest.
Sie zuckte mit einer Schulter. "Und wenn schon?"
"Dein Cousin hat Feinde, Shakira. Pass auf, dass du ihnen keine Argumente lieferst. Oder willst du Ashrafs Freundlichkeit auf diese Art belohnen?"
11. Kapitel
Es gab etwas, das sich hervorragend als Zielscheibe für Shakiras Zorn eignete, und das war die Golfinselfrage. Farida wohnte noch immer im Palast und wurde dabei von Woche zu Woche unglücklicher. Niemand wusste, was mit ihrem Ehemann geschehen war.
Doch sosehr Shakira sich auch bemühte, es gab keine schnelle Lösung für dieses Problem. Dazu war die Angelegenheit zu komplex, wie sie erfahren sollte, als der Sultan ihr entnervt eine Akte zuschob.
"Lies das, Cousine", befahl er. "Dann, und wirklich erst dann, werde ich mich weiter mit dir darüber unterhalten."
Shakira wusste bereits einiges von dem, was sie nun zum ersten Mal zu lesen bekam. Über ein Jahrzehnt zuvor hatte Ghasib eine der Inseln an eine Firma namens Mystery Resorts vermietet, die dort ein luxuriöses Hotel errichtet hatte – das "Gulf Eden Resort". Dieses erwies sich als so profitabel, dass die Firma auch die anderen Inseln pachten wollte, um dort exklusive Ferienaufenthalte in unberührter Natur anbieten zu können.
Vor etwa zwei Jahren hatte Ghasib dann alle anderen Inseln der Inselkette an die Firma verpachtet und ihnen dabei das Recht eingeräumt, die Bewohner umzusiedeln. Die Regierung hatte sogar dabei mitgeholfen – das wusste Shakira bereits. Farida hatte ihr erzählt, dass auch bagestanische Soldaten dabei waren, als die Sicherheitsleute von Mystery Resorts die Solomoninsel skrupellos räumten.
Sämtliche Wohnhäuser waren zerstört worden.
Das war vor etwa achtzehn Monaten gewesen, um diese Zeit war Farida in das Lager gekommen, wo sie und Hani sich begegneten. Später waren alle zusammen nach Burry Hill verfrachtet worden.
All das wusste Shakira schon. Aber die Akte enthielt noch viel mehr Informationen. Als der Sultan wieder an der Macht war, widerrief er sofort den Pachtvertrag über die Golfinseln, außer für die, auf der das 'Gulf Eden Resort' stand. Er verkündete, dass man die Inselbewohner in ihre Heimat zurückbringen würde, und versprach, beim
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