Heimkehr in den Palast der Liebe
voller Gier.
Der Junge machte eine Grimasse vor hilflosem Zorn. "Möge Gott dich impotent machen!"
"Was gibt es noch?" sagte der Mann. Er war offensichtlich wütend, aber seine Gier war stärker. "Gib alles her."
Hani und Farida zwangen sich mit aller Kraft, nicht zu dem Joghurtbecher zu blicken.
Da näherten sich draußen Schritte.
"Farida, wo bist du? Hast du schon gehört? Der Gesandte des Sultans ist endlich da! Es heißt, er sucht nach jemandem!" rief eine Stimme. "Er besucht jedes Zimmer. Komm und sieh es dir an!"
Mit Tränen in den Augen starrte Farida Hani an. Aber es war jetzt zu spät, die Brieftasche noch irgendwie loszuwerden.
"Guten Morgen, Rashid, guten Morgen, Mrs. Rashid", begrüßte der Lagerdirektor fröhlich ein Ehepaar. "Was gibt es zu diesen beiden zu sagen, Allison?"
Seine Assistentin wischte sich über die feuchte Stirn und blickte auf ihr Klemmbrett. "Rashid al Hamza Muntazer, mit Frau und sieben Kindern. Aus Joharistan. Wir wissen nicht genau, wie alt die Kinder sind, aber die Schwester schätzt sie alle auf unter zwölf."
Sharif Azad al Dauleh, Tafelgefährte des Sultans von Bagestan, begrüßte die Familie respektvoll mit einer Faust auf der Brust. Das kurze Gespräch, das dann folgte, unterschied sich kaum von den unzähligen anderen, die er in den letzten Wochen geführt hatte. "Bitte sagen Sie, dass die Kinder unbedingt in die Schule müssen, dass meine Frau mit den Nerven am Ende ist; dass ich Bauingenieur bin; dass ich arbeiten möchte. Bitte fragen Sie, wie lange wir noch hier festgehalten werden."
Sie gingen weiter, aber in Sharifs Herz klang die Verzweiflung der Menschen nach. In jedem Lager waren es die gleichen Geschichten, Geschichten aus der Hölle auf Erden.
Sie hatten jetzt mehr als die Hälfte des Lagers inspiziert, und Sharif hatte die Hoffnung, den Jungen zu finden, fast aufgegeben. Ein so flinkes, geschicktes Kerlchen wie er hatte bestimmt längst ein sicheres Versteck gefunden, und nachdem er auch noch Sharifs Brieftasche mitgenommen hatte – Sharif war darüber nicht allzu überrascht gewesen –, hatte er natürlich erst recht allen Grund, sich versteckt zu halten.
Aber er musste den Jungen unbedingt finden.
Die nächste Tür wurde von einer bagestanischen Frau geöffnet, die ein Baby auf dem Arm hielt. Ein weiteres Kind klammerte sich an ihren Rock.
"Das ist Mrs. Sabzi", las die Assistentin vor. "Sie hat drei Kinder – einen Sohn, Hani, eine Tochter, Jamila, und das Baby."
Sharif legte eine Faust auf die Brust und verbeugte sich.
"Exzellenz." Farida erwiderte den Gruß, wiegte das Baby und blickte Sharif ängstlich an. Das Baby streckte mit großen Augen die Ärmchen aus und ließ den Beißring fallen.
Den blauen Beißring, den Sharif das letzte Mal unter seiner Schuhspitze auf der Straße gesehen hatte.
Er lächelte. "Sie haben auch einen Sohn, Mrs. Sabzi?" fragte er.
Die Frage schien sie zu erschrecken. Sie befeuchtete sich die Lippen nervös mit der Zungenspitze. "Ich … ja, meinen Sohn Hani."
Sharif lächelte wieder. "Darf ich ihn sehen?"
"Exzellenz, Sie sind sehr freundlich! Das ist sehr nett von Ihnen, aber Sie sind so ein bedeutender Mann, und mein Sohn …" Sie zuckte mit den Schultern, um zu zeigen, wie unbedeutend ihr Sohn war.
Sharif neigte den Kopf. "Wenn er hier ist, würde ich ihn gern kennen lernen."
"Oh, es geht ihm leider nicht gut, Exzellenz! Ich habe ihm gesagt, er soll im Bett bleiben, obwohl er darauf brannte, Sie zu sehen. Wir sind eine einfache Familie, Exzellenz, wir stammen von den Golfinseln", plapperte sie drauflos, in dem Versuch, Sharif abzulenken.
"Ist Ihr Sohn hier?"
"Ja … nein!" begann sie, aber dann blickte sie unwillkürlich zu der Tür zum Nebenzimmer. Da stand der Junge und sah Sharif trotzig an. Dann humpelte er zu seiner Mutter, die den Arm um ihn legte und ihn an sich drückte.
"Hier ist Hani, Exzellenz", sagte sie, und ihre Stimme klang plötzlich eine Oktave höher, als ob sie versuchte, sich ruhiger zu geben, als ihr zu Mute war. "Sie sehen, er ist gar nicht so krank, dass er im Bett bleibt, wenn ein Tafelgefährte des Sultans zu Besuch kommt."
Ängstlich blickte sie zwischen Sharif und dem Jungen hin und her und weinte fast vor Erleichterung, als Sharif nur fragte: "Sie sagen, Sie kommen von den Golfinseln?"
"Ja, Exzellenz. Unsere Heimat war die Solomoninsel. Man hat unser Haus zerstört und uns von der Insel vertrieben. Mein Mann wurde verhaftet. Fünfzehn Monate ist das her, Exzellenz,
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