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Heimkehr in Die Rothschildallee

Heimkehr in Die Rothschildallee

Titel: Heimkehr in Die Rothschildallee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Zweig
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Schluss zitierte sie zwei Zeilen aus einem Shakespeare-Sonett, was für Fritz, als er den Brief zu lesen bekam, ein todsicherer Beweis war, dass die entzückte Gattin ebenfalls einen Ghostwriter gefunden hatte.
    Fortan nannte Washington den bewunderten Verfasser vom »schönsten Liebesbrief, den ich je in meinem Leben geschrieben habe«, Frizzie. Dem schlug er vor, er solle ihn »wie das Volk zu Hause« Washi nennen. Sehr glücklich war Washi mit der Bitte, er solle mit Fritz nach Frankfurt fahren. Dort hatte er nämlich auf einer Dienstreise ein besonders entgegenkommendes Frollein kennengelernt. Sie hatte einen Busen wie Jane Russell in dem Erfolgsfilm »Geächtet«, war blond, bereitwillig und immer fröhlich. Wenn sie »Auf der Lüneburger Heide« oder »Schwarzbraun ist die Haselnuss« sang, fühlte sich Washi Europas Kultur ganz nah. Träumte die schöne Blonde, was sie ihm in Ermangelung einer gemeinsamen Sprache allerdings nie verriet, dann stand sie in weißen Shorts an Bord eines Schiffs und reiste als Soldatenbraut nach Amerika.
    Washi nannte seinen Frankfurter Sündenfall Veronika, obgleich sie Ortrud hieß. Für die Freuden auf ihrer schmalen Couch bedankte er sich mit Nylonstrümpfen, die spitze Entzückensschreie auslösten und die ihn ebenso stimulierten wie ihre festen Brüste. Aus Nürnberg brachte der Mann mit den vollen Taschen Stangen von »Chesterfield« und kiloweise Kaffee mit, Whisky für die depressive Mutter, die noch im Februar 1945 an die Wunderwaffe geglaubt hatte, und Schokolade für Bruder Hermann-Dietrich. Der hatte so geschickte Finger, dass er bei jedem Besuch Washi die Packung mit Präservativen klaute, die Soldaten beim Verlassen des Militärgeländes ständig mit sich zu führen hatten.
    Washi war ein Meister der Organisation und Improvisation. Nach nur zwei Tagen hatte er Benzin für die Fahrt nach Frankfurt und zurück beschafft und für sich die Erlaubnis, einmal im Frankfurter PX einzukaufen und im Sperrgebiet vier Tage im Gästehaus für durchreisendes US-Militär zu übernachten. Der Weg in die Thüringer Straße 11 war ihm noch bekannt. Er war nämlich der dunkelhäutige Jeepfahrer mit dem imponierenden Helm und der ansteckenden Fröhlichkeit, der vor vier Wochen im Namen seines Freundes »Frizzie« das Paket abgeliefert hatte.
    »Dem Paket verdanken wir unsere Reise«, erklärte ihm Fritz.
    »Versteh ich nicht, aber meine Oma hat immer gesagt, man muss nicht alles verstehen.«
    »Recht hat sie! Je weniger du von der Welt verstehst, desto besser ergeht es dir.«
    Der 29. April, ein Montag, war bereits in den Mai gesprungen. Die Apfelbäume und der Flieder standen in voller Blüte, Schwalben flogen den Sommer ein, die Sonne vergoldete das noch unreife Korn auf den Feldern, das Wasser in Fluss, Bächen und Teichen und selbst die Trümmer in den Städten und die zerschossenen Häuser in den Dörfern. Die achtundachtzigste Zuteilungsperiode für Lebensmittel begann ebenfalls mit froher Botschaft. Zum ersten Mal seit Kriegsende erhielt die Bevölkerung eine Zuckerzuteilung. Die beliebte Revuetänzerin Marika Rökk, Star der Filme »Es war eine rauschende Ballnacht« und »Frauen sind doch bessere Diplomaten«, erhielt wegen ihrer Verbindungen zu den Nationalsozialisten von der amerikanischen Militärregierung Auftrittsverbot. Washi traf auf eine deutsche Vogelscheuche, er nannte sie »a fucking German« und requirierte ihren grünen Jägerhut. Der Hut mit einer langen rotbraunen Feder löste seine Zunge noch mehr als sonst. Seinen Redestrom unterbrach er nur noch, um den Kaugummi zu wechseln.
    Fritz musste sich Mühe geben, Washis verschlungenen Memoiren zu folgen. Weil beide Joseph hießen und Jake genannt wurden, verwechselte er den gefallenen Bruder häufig mit dem Vater, der die Familie verlassen hatte, während seine Frau bei ihrer sterbenden Mutter war und seine Kinder in der Kirche um die Genesung der geliebten Großmutter beteten. Bei der Fahrt durch das zerstörte Würzburg versuchte Fritz hartnäckig, sich vorzumachen, die Stadt wäre für ihn eine ohne Bedeutung, doch er hatte in Würzburg nicht nur den Frankenwein und das deutsche Barock kennengelernt, er hatte auch die Illusion begraben, seine Kommilitonen würden ihn als einen der Ihren empfinden. Seine Gedanken waren noch bei einem Studenten mit sanfter Stimme und ebensolchen Augen, den er bis zur Stunde der Erkenntnis für einen Freund gehalten hatte. Da stellte er fest, dass der Wegweiser Hanau und Offenbach

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