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Heimkehr in Die Rothschildallee

Heimkehr in Die Rothschildallee

Titel: Heimkehr in Die Rothschildallee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Zweig
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Augen, entdeckte den kleinen Lorbeerkranz auf ihrer Brust, den Victoria ihr zum ersten Geburtstag auf das weiße Kleid gesteckt hatte. Mit der bekränzten Tochter auf dem Arm stand Fritz vor dem Bild von Franz Marc. Drei Kühe in Rot, Senfgelb und Grün waren es gewesen. Ein meisterlicher Druck. »Eine Zumutung fürs Auge«, schimpfte Victoria, »du bist ja total übergeschnappt, einem kleinen Kind so etwas zu zeigen.«
    Hatte Vicky nicht immer alles abgelehnt, was ihrem Mann gefiel? Bücher, Bilder, Menschen, seine Freunde. Hatte sie sich vielleicht deswegen geweigert, zu ihm nach Holland zu kommen? Mein Gott, Victoria, ich musste es versuchen. Sie haben es alle versucht, die Männer in meinem Alter. Es ist doch keine Sünde, wenn ein Mann hofft. Wer jene Hoffnung gab verloren und böslich sie verloren gab, der wäre besser ungeboren; denn lebend wohnt er schon im Grab. Gottfried Keller. Meine Mutter hat das Gedicht geliebt. Ich hab’s extra für sie auswendig gelernt. Im Jahr 1938 habe ich doch geglaubt, wir würden es in Holland schaffen, Vicky. Alle vier.
    Die Kerze, der Stromrationierung wegen allabendlich angezündet, brannte ihrem Ende entgegen; es war ihr flackerndes Licht, das Fritz in die Hölle der Verschonten trieb. Mit einem Mal war es ihm eine Frage von Leben und Tod, noch einmal das Gesicht seiner Frau zu sehen, doch Victoria, so erregend und katzengeheimnisvoll und mit dem Temperament einer Tigerin, so unnachgiebig und immer voller Widersprüche, erschien nicht. Hörte sie nicht, dass Fritz nach ihr rief, sah sie nicht, dass er die Arme ausstreckte? Nur ein einziges Mal kam sie zurück. Es war in Brixen auf der Hochzeitsreise. Die Sonne schien, der Ärmel ihrer Bluse blähte sich im Wind. Die schöne Grazile stand in einem Garten mit blühendem Mohn und gelben Rosen, doch sie hatte kein Gesicht. Verzeih, Vicky, verzeih die Hochzeitsnacht. Ich war jung. Und enttäuscht!
    Als Fritz zu Bett ging, schlug eine Kirchenglocke zwölf Mal. Er zählte mit, verkroch sich beim letzten Schlag unter das schwere Federbett und malte sich ein Leben aus, in dem ein Mann sein Nachtgebet sprach, ehe er einschlief, doch obwohl alle sagten, Fritz Feuereisen hätte ein unglaublich gutes Gedächtnis, fiel ihm das Wort nicht ein, das er Gott zu sagen hatte. Später sah Fritz, dass der Kalender den 10. Mai 1940 anzeigte, die Deutschen waren in Holland einmarschiert.
    In dem Moment, da er die Stiefel der Wehrmacht sah, färbte sich der Himmel sturmschwarz. Gott, zu dem er nicht hatte sprechen können, befahl Friedrich Feuereisen, sich auf der Stelle zu entscheiden, ob er glücklich war, dass seine Tochter lebte, oder ob er sterben wollte, weil die Nazis seinen Sohn ermordet hatten? Als Gott mit Blitz drohte, weil Fritz die Augen zumachte und den Kopf schüttelte, obwohl er als Jurist doch wissen musste, was vor Gericht eine Verweigerung bedeutete, hörte er die Schreie. Er wusste sofort, dass die achtjährigen Zwillinge aus Oppeln um Hilfe riefen, denn ihr Vater war vor ihren Augen erschlagen worden. Es verwunderte ihn, dass die Mutter sich nicht über ihre Kinder beugte – wie es seine Mutter getan hatte, sobald er nachts in Not geriet. Er sagte sich jedoch, Frau Konietzky wäre zu sehr an Kindertränen gewöhnt, wahrscheinlich wäre ihre Seele stumpf geworden und sie gar nicht mehr fähig, mit einem weinenden Kind zu leiden. Über den jüdischen Vater jedoch, der nach seinem ermordeten Sohn rief, beugte sich Victor von Hochfelds Witwe.
    Am letzten Urlaubstag seines Lebens hatte der Generalmajor den Keller aufgeräumt und eine Spätlese vom Rhein aus dem Jahr 1937 aufgestöbert. Auf leeren Magen hatte er die ganze Flasche ausgetrunken, und noch vor dem letzten Schluck hatte er in einer weinerlichen Stimmung, die seinem Naturell absolut nicht entsprach, seiner erschrockenen Frau vom »verdammt dreckigen Krieg gegen die Zivilbevölkerung« im Osten erzählt. »Aber keiner von uns«, hatte der deutsche Held auf der Kellertreppe der Gattin klargemacht, »darf sich heute zu schade sein, sich die Hände schmutzig zu machen. Auch wir Offiziere nicht. Wer vergisst, dass es die Juden sind, die schuld am deutschen Unglück sind, versündigt sich an seinen Vätern und an seinen Kindern.«
    »Wer ist Salo?«, fragte Adelheid.
    Sie trug einen Hausmantel aus schwarzer Seide, der mit goldenen Blumen und roten Vögeln bestickt war, und malte mit ihrer Taschenlampe einen Kreis von besänftigendem Licht an die Wand. Fritz erkannte die

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